Ich habe die Gene nicht ohne Hintergedanken in die Diskussion gebracht. Gleich mehr dazu.Zitat von zaktuell:
Gene sind a.) nur ein Teilaspekt und b.) ziehlte meine (und Morgensterns Aussage nach meinem Verständnis) nicht nur auf das Betrachten von Frauen oder generell Menschen sondern ganz Allgemein: Kunstwerke, Natur,... eben alles, was man lieben und/oder schön finden kann. Jedenfalls spielt neben den Genen und ('gelernten') kulturellen Aspekten beim Schönheitsempfinden auch die Sympathie des Betrachtenden für das Betrachtete eine Rolle. Nach meinem Dafürhalten die entscheidende.
Morgensterns "Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet" ist auf unsere Diskussion übertragen eher hinderlich, denn
1. vermischt es die Begriffe Liebe und Schönheit, die wahrlich nicht immer Hand in Hand gehen und
2. ist der Spruch - so ansprechend, weil romatisch, er sich auch liest - selbst bei großzügiger Auslegung nicht richtig.
Zu 2.: Es gibt Menschen, die lieben Unvollkommenes.
Auf Haustiere bezogen hat sicher schon jeder mal einen Spruch wie "ich liebe dieses hässliche Viech" gehört.
Ich kenne ähnliche Aussagen meiner Mitmenschen über ihre Liebsten (und damit meinen sie manchmal auch ihre Lebensabschnittsgefährten).
Und damit hat sich 1. eigentlich auch schon erledigt:
Liebe macht blind. Ist es ratsam auf das ästhetische Urteil eines derart Erblindeten zu vertrauen?
Insofern versperrt uns auch die von Dir ebenfalls ins Spiel gebrachte "Sympathie" nur den ohnehin kaum zu erreichenden neutralen Blick auf das, was schön ist, anstatt selbigen zu schärfen.
Schließlich zielt ein Begriff wie Sympathie eher auf das, was man manchmal "innere Schönheit" nennt, wir betrachten bei der Bewertung der Hermannschen Frauenfiguren aber eher deren "äußere Schönheit" (es geht hier ja nicht nur um die weiblichen Sympathieträger, sondern ebenso um die berechnenden Biester usw.).
Von "Good girl art" redet man ja auch nicht charakter- sondern darstellungsbezogen.
Und nun zurück zu den Genen:
Wenn Gene - wie vermutet - überkulturell unser ästhetisches Empfinden leiten, dann heißt das, dass es auch ein objektives oder objektivierbares Mass für Schönheit gibt. Und wenn uns unsere Gene dahingehend manipulieren, dass wir uns in der Bewertung der Schönheit eines Menschen über dessen Proportionen, Symmetrie und den goldenen Schnitt orientieren, dann ist es auch möglich, halbwegs vernunftgesteuerte Aussagen über die Schönheit Hermannscher Frauenzeichnungen zu machen.
Mit einem "liegt im Auge des Betrachters" ist man hingegen der völligen Beliebigkeit ausgeliefert und könnte dem unfähigsten aller Zeichner Genialität bescheinigen. Dann aber würde sich jede Diskussion erübrigen.
So sehr ich Hermanns zeichnerische Fähigkeiten bewundere, perfekt würde ich sie nicht nennen. Er selbst übrigens auch nicht.Zitat von horst:
Können oder wollen?
Hermann selbst sagt in Interviews eigentlich immer,
dass er keine Püppchen "zeichnen mag" - nicht, dass er
es nicht kann (was sowieso total unlogisch wäre, da
er "alles andere" perfekt zeichnen kann).
Glatte Püppchen hängen ihm "zum Halse heraus" (so wörtlich).
"Seine Frauen" sind vom Leben gezeichnet und habe
anderes zu erfüllen, als einem - "ihm befremdlichen" -
Schönheits-Ideal zu entsprechen.
Wie geschrieben: ich habe jetzt wirklich nicht die Musse, einen Satz aus dem mir massig vorliegendem Hermann-Sekundärzeug herauszusuchen, aber da ich das von mir angeführte Zitat in Schtroumpf 44 zu finden glaubte, habe ich das dortige Interview gestern abend noch mal quer gelesen. Auf die von mir gesuchte Aussage bin ich dabei zwar nicht gestoßen, wohl aber auf eine über seine zeichnerischen Unvollkommenheiten.
Hermann meint im dort abgedruckten Interview, dass er seine "Köpfe ein bisschen zu groß gezeichnet" habe und sich davon erst "vor zwei Jahren freimachen" konnte (das Interview erschien 1980; weiter räumt er ein, Schwierigkeiten bei der Darstellung von Autos gehabt zu haben: sie seien ihm oft zu klein geraten).
Den in überschwenglicher Bewunderung ausgegebenen Satz eines Kritikers als "gesetzt" anzusehen und seine Argumentation darauf aufzubauen (Zitat: "was sowieso total unlogisch wäre, da er "alles andere" perfekt zeichnen kann"), halte ich für nicht sonderlich überzeugend. Da spricht wohl eher der Fan in Dir.
Nun mögen Hermann "glatte Püppchen" zwar zum Halse heraushängen, doch wirst du mir sicher Recht geben, wenn ich behaupte, dass nicht jede schöne Frau ein "glattes Püppchen" ist.
Also entweder hat Hermann eine eingeschränkte Wahrnehmung ("jede schöne Frau ist ein glattes Püppchen") oder er will grundsätzlich keine schönen Frauen in seinen Comics haben (warum eigentlich nicht? sie existieren ja auch in realiter; will er nicht realistisch sein?) oder aber er kann sie nicht zeichnen ...
... wobei viele Zeichner natürlich auch keine besonders gut aussehenden Männer zu Papier bringen können (nur ist das den meisten männlichen Lesern herzlich egal).Zitat von BobCramer:
Da ist er dann ja bei den alten Frankobelgiern nicht allein. Man denke nur an die puppenartigen Geschöpfe bei z.B. Hergé, Graton, Martin, Leloup... It's a man's world.
Ich glaube, da liegt des Pudels Kern.Zitat von Mick Baxter:
Zeichner entwickeln oft eine bestimmte Art, Gesichter zu zeichnen. Bei Horus sitzen z.B. die Augen immer viel zu hoch, Hermann zeichnet fast immer sehr breite Kiefer. Das ergibt sehr kernige Männer, aber wenig attraktive Frauen.
Gewisse stilistische Eigenheiten begünstigen oder erschweren (man denke nur an die Ligne Claire) die Darstellung attraktiver/schöner Menschen.
Hermann neigt zu einer gewissen Grobschlächtigkeit, was - wie Mick völlig richtig bemerkt - seinen Männern durchaus zu gute kommen kann ("raue Schönheit"), bei Frauen aber eher zum Handicap wird.
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