Tag drei meiner Kriegswoche…
Der Wüstenfalke – Gesamtausgabe (Special Edition)
Mein erster Fliegercomic spielt, wie viele Vertreter dieses Genres, zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Die Meinungen, die ich bislang über das Werk gehört habe, waren äußerst gemischt, weshalb ich einerseits besonders gespannt darauf war, und im Gegenzug meine Erwartungshaltung etwas runtergeschraubt hatte. War da doch öfter mal die Rede von maximal durchschnittlichen Zeichnungen und es wurde bemängelt, dass die Deutschen in der Geschichte zu positiv dargestellt werden.
Erzählt wird vor dem realen Hintergrund des zweiten Weltkriegs, zu Beginn vor allem des Nordafrika-Feldzugs, die turbulente Geschichte des jungen Ali, eines Adoptiv-Jungen aus der lybischen Stadt Derna, der sich nichts sehnlicher wünscht als selbst einmal im Cockpit einer der Maschinen zu sitzen, die regelmäßig über seinen und die Köpfe seiner Freunde rauschen und sich über der Wüste akrobatische Luftkämpfe liefern.
Um sich darauf vorzubereiten, übt er jede freie Minute im mechanischen Flugsimulator des virtuosen Mechanikers Mahmud, der die deutschen Truppen regelmäßig mit Ersatzteilen und Dienstleistungen versorgt, und für den Ali nebenbei jobbt und Botengänge erledigt. Wie es sich für einen Jungen an der Schwelle zum Mann gehört, ist Ali neben der Luftfahrt auch noch in ein sterbliches Wesen unsterblich verliebt. Die wunderschöne Aisha ist die Prinzessin seines Herzens, doch deren Eltern sind nicht so begeistert von dieser Verbindung, denn Alis Adoptivfamilie ist zwar ehrenwert und liebevoll, jedoch auch recht arm, weshalb die beiden Ihre Verbindung (noch) nicht öffentlich machen können.
Wie es der Zufall so will, landet Ali wenig später nicht nur in der Kanzel einer von den Deutschen erbeuteten Hurricane, er lernt auch Hans-Joachim Marseille, den „Stern der Wüste“ kennen, und so beginnt das große Abenteuer…
Genau das ist glaube ich für viele auch ein großer Kritikpunkt an der Reihe, denn Alis abenteuerlicher Weg zu einem erfolgreichen Kampfpiloten, sein Ringen um die Liebe seines Lebens, die Suche nach seiner familiären Herkunft und seinen Ursprüngen und die äußerst unwahrscheinlichen Pfade, die er dabei beschreitet, welche ihn an die vielfältigsten und exotischsten Schauplätze des zweiten Weltkriegs führen, das hat schon etwas sehr Abenteuerliches und wirkt deutlich mehr wie ein Hollywood-Konstrukt, bei dem es eben um große Unterhaltung, große Gefühle und bildgewaltige, atemberaubende Action geht, die tragischen, erschreckenden und furchtbaren Aspekte des Krieges im Grunde aber wenig bis nahezu gar nicht thematisiert werden.
Ich denke das war auch gar nicht die Intension von Autor und Zeichner Franz Zumstein. Für mich fühlt es sich so an, als hegt der Mann eine tiefempfundene Leidenschaft für Flugzeuge, vor allem aus dieser Zeit, und so findet er stets neue Mittel und Wege möglichst viele verschiedene Modelle aus der Luftfahrt-Historie in seine Erzählung einzubauen und diese maximal wirkungsvoll in Szene zu setzen. Drumherum hat er eine abwechslungsreiche Geschichte voller Action, Abenteuer und zumeist sympathischen Charakteren gestrickt, die sich zu keinem Zeitpunkt realistisch anfühlt, aber prima zu unterhalten weiß. Action, Drama, Herzschmerz, Halunken, Bösewichte und lustige Käuze, alles gut verquirlt und nur am Rande der ein oder andere tragische Moment, der in Erinnerung ruft, dass Krieg kein großes Abenteuer, sondern etwas Furchtbares ist. In diesem Sinne also näher an Indiana Jones, denn an Oskar Schindler, um mit Spielberg bei einem der Größten Hollywoods zu bleiben.
Das Artwork hat mir insgesamt gesehen wirklich ausgesprochen gut gefallen, teilweise sogar großartig! Herausragend immer dann, wenn Flugzeuge oder andere Maschinen wie Autos, Schiffe usw. im Einsatz präsentiert werden, bei Personen und vor allem Gesichtern etwas weniger beeindruckend, aber immer weit entfernt von schlecht. Für Freunde der klaren Linie vielleicht nicht ganz das Richtige, aber meinen Geschmack trifft Herr Zumstein hier absolut. Die Gesamtausgabe ist nicht auf dem dicksten, aber doch auf gutem Papier mit mittlerem Glanz gedruckt, enthält alle fünf Cover der Einzelalben ohne störende Schrift und in der auf 140 Stück limitierten Special Edition auch noch einen Schutzumschlag mit anderem Cover, ein Interview mit Franz Zumstein sowie einen nummerierten und vom Künstler signierten Kunstdruck (siehe oben neben dem Cover). Letzteren hätte ich mir auf kräftigerem Papier oder Karton gewünscht, das ist leider nur ein „normales“ Blatt. Zusammengefasst ein toller Comic, der super aussieht, mich prima unterhalten hat und mit guter Ausstattung daherkommt, man sollte halt nur keine tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg erwarten.
8-8,5/10
VG, God_W.
PS: Der nächste Fliegercomic folgt übermorgen, und der ist tonal etwas anders gelagert, morgen schauen wir uns die Kriegsthematik erstmal aus Sicht eines Mangaka an.
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