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Thema: Die Himbeersaft-Kaschemme

  1. #2726
    Mitglied Avatar von komnenos
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    Zitat Zitat von Remory Beitrag anzeigen
    ...Die Presse hat das dankbar aufgenommen, als Erklärung, warum man das MOSAIK gelesen hat und käut es seitdem in jedem Artikel wieder. ...
    Bernd Lindner hat in seinen Reden auch zu dieser einseitigen Verklärung beigetragen. Es ist ja auch wirklich für den Außenstehenden nur zu leicht nachvollziehbar...die armen eingesperrten Kinder im Osten, ohne ihren Comic hätten sie von der Welt nichts gesehen.
    Dabei weckte das Mosaik kaum eine andere Sehnsucht so stark wie die nach dem nächsten Heft, und zwar nicht als Schaufenster in die Welt nach draußen, sondern in die kleine Mosaikwelt drinnen.

  2. #2727
    Mitglied Avatar von Borstel
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    Zitat Zitat von komnenos Beitrag anzeigen
    Es ist ja auch wirklich für den Außenstehenden nur zu leicht nachvollziehbar...die armen eingesperrten Kinder im Osten, ohne ihren Comic hätten sie von der Welt nichts gesehen.
    Dabei weckte das Mosaik kaum eine andere Sehnsucht so stark wie die nach dem nächsten Heft, und zwar nicht als Schaufenster in die Welt nach draußen, sondern in die kleine Mosaikwelt drinnen.
    So langsam kommt es mir aber wirklich vor, als hätten manche ihre Erinnerungen gelöscht. Und dieser Wunsch nach dem nächsten Heft, wenn es in Eisenhüttenstadt, Karl-Marx-Stadt, Suhl oder im Plattenbau an der Ostseeküste gespielt hätte, der wäre bestimmt noch viel größer gewesen? Ich bin gerade im falschen Film. Das Mosaik, gerade in der DDR-Zeit, heute sicher nicht mehr, das lebte mindestens zur Hälfte von den Gegenden, die man damals unwissend und nicht vorausschauen konnte, möglicherweise niemals nicht hätte in der Realität sehen können. Ich kanns echt nicht mehr lesen, was hier von sich gegeben wird.
    Avatar Thanks to Pteroman

  3. #2728
    Mitglied Avatar von komnenos
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    Zitat Zitat von Borstel Beitrag anzeigen
    So langsam kommt es mir aber wirklich vor, als hätten manche ihre Erinnerungen gelöscht. Und dieser Wunsch nach dem nächsten Heft, wenn es in Eisenhüttenstadt, Karl-Marx-Stadt, Suhl oder im Plattenbau an der Ostseeküste gespielt hätte, der wäre bestimmt noch viel größer gewesen? Ich bin gerade im falschen Film. Das Mosaik, gerade in der DDR-Zeit, heute sicher nicht mehr, das lebte mindestens zur Hälfte von den Gegenden, die man damals unwissend und nicht vorausschauen konnte, möglicherweise niemals nicht hätte in der Realität sehen können. Ich kanns echt nicht mehr lesen, was hier von sich gegeben wird.

    Na dann hätte ja für die Neosserie oder die Teile der Erfinderserie, die in Sachsen oder Berlin spielen, die halbe Auflage gereicht. Nein, das Geniale am Mosaik war auch, dass selbst eine Geschichte vor der eigenen Haustür von den Machern noch interessant, unterhaltsam und witzig gestaltet wurde.
    Und wenn Runkel nach Worms gezogen wäre, um den Nibelungenhort zu bergen, wären ihm die Leser auch dorthin gefolgt.
    Geändert von komnenos (03.01.2022 um 19:39 Uhr)

  4. #2729
    Moderator Leipziger Comicgarten Forum Avatar von thowiLEIPZIG
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    Zitat Zitat von Remory Beitrag anzeigen
    Nein, du bist kein Sonderfall, Filthy. Es ist quasi eine Erfindung der Presse, bzw. von Kramer, der das wohl Anfang der 90er in einem Interview geäußert hat, ohne zu ahnen, was er damit lostrat. Die Presse hat das dankbar aufgenommen, als Erklärung, warum man das MOSAIK gelesen hat und käut es seitdem in jedem Artikel wieder. Nur das kritisiere ich. Ansonsten kann das natürlich von Fan zu Fan unterschiedlich sein, wie man ein gewisses Fernweh, wenn denn vorhanden, wahrgenommen hat.
    Wie ich bereits weiter oben schrieb: "Und immer, wenn mich mal Irgendjemand (Meist kam diese Frage von Journalisten, denen eine entsprechende Antwort in ihr Klischee gepasst hätte...) gefragt hat, ob die MOSAIK-Lektüre der "Ersatz" für nicht erfüllbare Reisewünsche war, habe ich das verneint."
    Natürlich haben nach der Wende Viele von uns bestimmte "Reiseziele" der Digedags bereist, aber das war in den seltensten Fällen aus "dem einen" Grund, man hat sich irgendwie erinnert, das bereits in ähnlicher Form gesehen zu haben, mehr aber auch nicht.
    Wenn man das Gegenteil behauptet (Was auch Kramer getan hat.), verhält man sich ja genauso, wie die oben erwähnte Jounaille.
    Natürlich hat auch Doc Kramer mit einigen Inhalten die Vorstellung genährt, aber das war eher seine persönliche Einstellung und nicht die der Allgemeinheit.

  5. #2730
    Mitglied Avatar von Borstel
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    Das Ganze war doch ein Zusammenspiel aus vielem, die paar Hefte in Sachsen und in Berlin zähle ich sogar zu meinen Lieblingsheften, da passte nämlich auch die Zeit und die Storie. Und Nürnberg oder von mir aus auch Worms, alles in Ordnung. Dennoch wird mir keiner weis machen, dass die unterschiedlichen Länder und Orte nicht die Hälfte des Reizes ausgemacht haben. Und zwar auch deshalb, weil man eben nicht so einfach dort hinkonnte. Ich will es aber nicht weiter zerreden, dennoch ist das nicht einfach nur von irgndwelchen Interviewern in die Welt gesetzt worden.
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  6. #2731
    Moderator Digedags Forum Avatar von Uhrviech
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    So langsam kommt es mir aber wirklich vor, als hätten manche ihre Erinnerungen gelöscht. Und dieser Wunsch nach dem nächsten Heft, wenn es in Eisenhüttenstadt, Karl-Marx-Stadt, Suhl oder im Plattenbau an der Ostseeküste gespielt hätte, der wäre bestimmt noch viel größer gewesen? Ich bin gerade im falschen Film. Das Mosaik, gerade in der DDR-Zeit, heute sicher nicht mehr, das lebte mindestens zur Hälfte von den Gegenden, die man damals unwissend und nicht vorausschauen konnte, möglicherweise niemals nicht hätte in der Realität sehen können. Ich kanns echt nicht mehr lesen, was hier von sich gegeben wird.
    Eigentlich wollte ich selbst nichts zur "Sache" schreiben. Aber wenn du es so darstellst und nichts anderes zulässt... dann habe ich das so erlebt:
    Selbstverständlich habe ich als Kind im Mosaik auch Dinge und Gegenden gesehen, die ich so nicht hätte besuchen können. Aber das ging mir mit dem theoretisch Erreichbaren nicht anders. Meine Eltern hatten immer die gleichen Urlaubsziele: Ostsee, Harz und Thüringen. Die DDR hatte aber doch noch viel mehr zu bieten. Als ich selbständiger wurde, habe ich auch nur einen Bruchteil dessen vom dem gesehen, was möglich gewesen wäre. So hab ich es auch nie nach Ungarn "geschafft" - und es hat mir nicht gefehlt. Was mich interessierte, habe ich meist im Umkreis von 50-100 km gefunden. Und ich lebte ein Leben für meinen Sport und später für meine Arbeit - und natürlich mit und für meinen Freundeskreis. Am Mosaik hat mich immer die WR- und Erfinderserie besonders gefesselt. Das hat nun mal keine Sehnsüchte in die Ferne ausgelöst ... und wenn ich in Prag an der Rathausuhr vorbeigekommen bin, dann wusste ich zwar um die Geschichte des MvHH 78, aber ich habe sie als das gesehen was ist ist, ein wundervolles technisches Meisterwerk.
    Was ich allerdings zu meinem 50. tatsächlich gemacht habe war eine kleine Rundfahrt auf den "deutschen" Spuren der Digedags ... Reni fertigte mir dazu dieses Variantcover an:

    Es war eine Schnelltour vom Eisernen Seehund über Transrapid (da jedoch defekt ersatzweise Wuppertaler Schwebebahn) nach Nürnberg - aber auch nur weil mein Sohn inzwischen dienstlich dorthin versetzt worden war. 2006 in ich meine wohl weiteste Reise angetreten - und diesmal wirklich mit dem Transrapid gefahren ... aber ganz ohne Mosaik-Hintergedanken ... Meine später noch erfolgten großen Reisen "über den Teich" hatten auch lediglich familiäre Gründe. Und was ich da in den USA und Canada besucht und gesehen habe, findet sich (leider auch) in keinem Mosaik und die Amerikaserie hat auch mich niemals inspirierend gewirkt. Das ist einfach so. Aber es ist nur schön, dass für andere das Mosaik das ersehnte Fenster in die große weite Welt darstellte. Für mich war es ein gedanklicher Weg zu den Sternen, zur Technik und Wissenschaft, und es war mir immer genug...
    Es grüsst
    Uhrviech aus Passow, wo die Digedags ein Zuhause haben

  7. #2732
    Mitglied Avatar von komnenos
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    @Borstel:
    Die Frage war doch nicht, ob fremde Länder und Orte den Reiz des Mosaik erhöht haben, sondern ob man die Bedeutung des Mosaik auf das gestillte Fernweh reduzieren kann bzw. welche Bedeutung ungestilltes Fernweh bei Kindern in der DDR überhaupt hatte. Wild West Stories zum Beispiel haben doch auch in Westeuropa funktioniert, ganz ohne diese Reiseeinschränkungen.
    Geändert von komnenos (03.01.2022 um 20:36 Uhr)

  8. #2733
    Mitglied Avatar von Borstel
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    Zitat Zitat von komnenos Beitrag anzeigen
    @Borstel:
    Die Frage war doch nicht, ob fremde Länder und Orte den Reiz des Mosaik erhöht haben, sondern ob man die Bedeutung des Mosaik auf das gestillte Fernweh reduzieren kann bzw. welche Bedeutung ungestilltes Fernweh bei Kindern in der DDR überhaupt hatte. Wild West Stories zum Beispiel haben doch auch in Westeuropa funktioniert, ganz ohne diese Reiseeinschränkungen.
    Das ist eine Untertreibung, ich halte die These, dass es ein ganz entscheidendes Kernthema war und ist, Eins von sicher 4 oder 5. Und ich habe noch nirgendwo gelesen, dass Mosaik lediglich vom Fernweh "lebt". Das man das hie und da etwas zu sehr in den Fokus nimmt, kann sein. Aber warum beißt man sich daran so fest? Womit ich nicht leben kann, ist, dass Mosaik halt zufälligerweise auch seinen Reiz durch ferne Länder hat und das problemlos weglassen könnte. Das ist schlicht falsch. Würde ne Weile gut gehen, aber dann...
    Avatar Thanks to Pteroman

  9. #2734
    Mitglied Avatar von komnenos
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    Zufällig ist das sicher nicht passiert, das haben die Macher alles bewußt konzipiert. Aber man kann den Lesern nicht unterstellen, dass sie Fernweh hatten, wenn sie sich für fremde Länder interessiert haben oder sich in die Vergangenheit sehnen, wenn sie Geschichte zu ihrem Hobby machen.
    Hegens Themen hätte auch in der ,,freien'' Welt funktioniert, das haben andere ähnlich gelagerte Comics gezeigt.

  10. #2735
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    Zitat Zitat von Borstel Beitrag anzeigen
    Womit ich nicht leben kann, ist, dass Mosaik halt zufälligerweise auch seinen Reiz durch ferne Länder hat und das problemlos weglassen könnte.
    Sicher haben die exotischen Schauplätze auch zum Reiz des MOSAIK beigetragen - aber eben nicht wegen Fernweh und "weil man dort nicht hin kann", sondern eben, weil eine Geschichte an exotischen Schauplätzen spannender ist als eine vor der eigenen Haustür.
    Und wie schon einige hier angemerkt haben, gehörte zur Nichterreichbarkeit ja nicht nur der Ort, sondern auch die Zeit. Abenteuer in der Vergangenheit kann man eben nur in der Literatur erleben.

    Zitat Zitat von Remory Beitrag anzeigen
    Nein, du bist kein Sonderfall, Filthy.
    Schade.
    Bitte beachtet meinen neuen Verkaufsthread.
    Trinken mit der Linken, Fechten mit der Rechten.

  11. #2736
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    Das MOSAIK habe ich aus mehreren Gründen gelesen, Fernweh gehörte definitiv nicht dazu, nicht mal in homöopathischen Beimengungen.

    Mir gefielen die Zeichnungen, der Stil (heute würde man sagen "ligne claire"), diese durchgezogenen Linien mit den gefüllten Farbflächen, kaum einmal Verläufe. Die immer neuen Figuren, Gesichter, Kostüme. Die Pferde, die Wellen, die Waffen. Mir gefiel es, wenn die Digedags verschmitzt aussahen, ich bewunderte Runkels Rüstung (und hab mir mal selbst eine aus einer alten Waschmaschinenverpackung gebaut), ich war fasziniert von dem Marsabenteuer (okay, damals gabs noch Farbverläufe), die technischen Zeichnungen von Maschinen und Schiffen haben mich staunend vor so viel Könnerschaft zurückgelassen, ich wollte stets so zeichnen können wie "der Mann, der das MOSAIK zeichnet".

    Die Geschichten habe ich mir nach und nach erschlossen, bei alten Heften, die ich bereits im Vorschulalter besaß, bekam ich die komplette Story erst später mit. Und natürlich mussten die Schauplätze exotisch sein, wie bei allen abenteuerlichen Filmen im Fernsehen, die ich so mochte, von der "Reise zum Mittelpunkt der Welt" über "Die Zeitmaschine" bis zu "Planet der Stürme".

    Als dann die Amerika-Serie begann, schwand meine Begeisterung etwas, ich empfand das Genre als ausgelutscht, gab es doch zu der Zeit gerade ein Überangebot an Western-Serien im TV (na jedenfalls für den, der "Westfernsehn" hatte). Nicht einmal wünschte ich mir dort zu sein, wo die Helden meines periodischen Lieblingscomics herumkrebsten. Klar, eine eigene Insel zu haben oder eine Rakete, das wär schon was. Blieb aber ein Traum.

    Wohingegen ich jederzeit zu den Berliner Schauplätzen aus dem MOSAIK mit Bus und S-Bahn hätte fahren können. Bin ich aber nicht, sondern hab das erst mit über 50 für den DIGEDON gemacht. Von daher stimme ich deiner (und unter uns gesagt, etwas sehr vehement vorgetragenen) These nicht zu, Borstel.
    @komnenos: "Aus meiner Sicht war das Mosaik dagegen gut, weil gerade die DDR Bedingungen geschaffen hat, in denen so eine aufwendige Comicproduktion überhaupt möglich war."
    Nee, überhaupt nicht, die DDR als beinharte Diktatur mit einer überbordenden Zensur und steter Mangelwirtschaft hat gar nix "ermöglicht", sondern Hegen hat sein Projekt mit Chuzpe, Hartnäckigkeit künstlerischem und kaufmännischem Können gegen alle Widerstände durchgeboxt. Wenn die Bedingungen so toll gewesen wären, hätten ja auch gut zwei oder drei weitere mosaikähnliche, meint monatlich erscheinenden Vollcomics für die Jugend erscheinen können. Sind sie aber nicht. man kann sich ja den traurigen Rest noch heute gut archiviert anschauen: Frösi, Atze, Bummi, ABC-Zeitung und ein paar überwiegend lausig gezeichnete Zeitungsstrips (sorry Guido). DAS gaben die damaligen Möglichkeiten her! Ohne Hegens singuläre Persönlichkeitsstruktur hätten wir vermutlich Fix und Fax zu unseren Helden erklärt und ich gäbe heute den FIXEDON heraus ; )

  12. #2737
    Moderator Digedags Forum Avatar von Uhrviech
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    Zitat Zitat von pteroman Beitrag anzeigen
    ...ich bewunderte Runkels Rüstung (und hab mir mal selbst eine aus einer alten Waschmaschinenverpackung gebaut)...
    Davon würde ich zu gern ein Foto sehen ... aber noch geiler wäre natürlich ne Rüstung aus einer alten Waschmaschinentrommel
    Es grüsst
    Uhrviech aus Passow, wo die Digedags ein Zuhause haben

  13. #2738
    Mitglied Avatar von komnenos
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    @pteroman:
    Hegens Persönlichkeitsstruktur hat sicher wesentlich zum Überleben des Mosaik in der Form, in der wir sie kennen, beigetragen. Aber kulturpolitisch gab es nicht die eine DDR, sondern es war immer wieder ein Wechselspiel zwischen Tauwetter und idelogischem Beton.
    In den Tauwetter-Zeiten hat die DDR aber Dinge ermöglicht. Sie hat einem jungen Karikaturisten (einer von Vielen beim Eulenspiegel) die Gestaltung einer Comic-Zeitschrift ermöglicht. Sie hat ihm dazu eine Villa überlassen, die er abbezahlen konnte und dafür noch einen kräftigen Vorschuss auf die ersten Hefte ausgeteilt. Es wurde ein Vertrag unterzeichnet, der eine schier unfassbare Summe Geldes in Hegens Taschen fließen ließ, ohne dass der bis dato etwas geleistet oder auch nur sich einen großartigen Namen gemacht hatte.
    Hegen konnte sich ein ganzes Team (ca. 10-12 Männer und Frauen) zusammen stellen, um ein einziges Comicheft von 24 Seiten pro Monat zu produzieren.
    Mal zum Vergleich: Helmut Nickel arbeitete in den 50-iger Jahren für den Gerstmayer-Verlag und lebte in Berlin-Friedenau. Er musste pro Heft 16-20 Seiten abliefern. Dazu hatte er zwei Wochen Zeit, manchmal nur eine Woche. Er bekam 400 DM und musste sich da noch mit der Reinzeichnerin der Texte reinteilen. Und der Mann hat nebenbei studiert und promoviert!
    So ein künstlerisches Schlaraffenland mit eigenem Atelier, einem Riesen-Honorar und einer Mannschaft, die der Verlag zur Verfügung stellte, das hat die DDR ermöglicht und der Output war unter Produktivitätsgesichtspunkten gering.
    Dazu konnte aber ein Preis von 60Pf aufrecht erhalten war, das war in den 50-igern im Vergleich zu den westlichen Heften nicht billig, zumal im Westen eine Zweitverwertung im Piccoloformat nicht selten war. Konkurrenzlos zu sein, war für Hegen schon ein Segen, und hat auch zum wirtschaftlichen Erfolg seines Produktes beigetragen. Weitere Comicproduktionen hätten bei der Papierknappheit die Auflage gesenkt und damit den Gewinn des Meisters beschnitten. Ob die DDR aus Papiermangel weitere Comicproduktionen unterbunden hat oder sie der Meinung war, dass das Mosaik in der Form ausreicht, sei mal dahin gestellt. In der DDR gab es ja verschiedentlich nur wenige Produkte, siehe die Automobilbranche.
    Generell wurden die Comic-Künstler im Vergleich zur werktätigen Bevölkerung in den Betrieben zum Teil fürstlich belohnt. Jürgen Kieser hat für seine 3-Seiten-Story Fix und Fax 1961 sagenhafte 700 Mark kassiert. Wieviel hat er dafür arbeiten müssen, 2-3 Tage! Ein Schlaraffenland!
    Hegen bekam die vom Zoll beschlagnahmten Comics aus dem Westen für sein Archiv. Ein Künstler im Westen konnte sich das selbst kaufen.
    Darüber hinaus musste Hegen bei der Ausbeutung seiner Quellen auch keine Plagiatsprozesse fürchten, er hatte da völlige Freiheit.
    Kurzum, die einseitige Sicht auf die DDR als Verhinderungsmaschine teile ich nicht. Es hab die Betonzeiten, wo es einen eisernen Willen brauchte, um dagegen anzustehen, aber Hegen und das Mosaik haben auch gewaltig von den Bedingungen profitiert.
    Was ist denn aus dem Starzeichner Dimitriades nach seiner Flucht in den Westen geworden und warum ist Hegen nach dem Aus seines Mosaiks nicht ausgereist? Weil er immer noch im finanziellen Schlaraffenland lebte und allein auch nichts Weltbewegendes mehr auf die Beine gestellt bekam. Alle seine weiteren Arbeiten wurden ja nicht nur in der DDR nicht mehr publiziert, es hat sich auch nach der Wende Niemand mehr dafür interessiert. Von den Sammelbandverkäufen konnte er aber immer noch gut leben und hatte alle Freiheten zu zeichnen, was ihm beliebt und natürlich ob des Teamverrats zu schmollen.
    Ich bewundere Hegen wirklich als Macher des Mosaik, aber er hat es nicht trotz der DDR geschafft, sondern in diesem Staat und seinen Möglichkeiten. Auch die Einmischung von Seiten der Verlagsverantwortlichen hatte bezüglich Bildungsvermittlung (Erfinderserie) nicht nur Schattenseiten.

  14. #2739
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    Ich...

    ...bin bei dieser Diskussion ganz und gar bei Borstel. Nun bin ich auch bereits 60 und durfte meine gesamte Jugendzeit über nicht in anständige Länder reisen. Und ja: bei mir spielte das Fernweh eine ganz entscheidende Rolle, mich in jungen Jahren für das Mosaik zu interessieren. Fast möchte ich sagen: DIE entscheidende Rolle (ich stieg in der Amerika Serie ein).

    Aber ich käme auch nicht auf die Idee, diese meine Empfindung für allgemeingültig zu erklären. Ich reise noch heutzutage sehr viel mehr, als die allermeisten Menschen meines Umfeldes - das Fernweh gibt es also immer noch. Ich kann es nun aber nach und nach stillen. Eine Genugtuung. Die Ziele des Mosaik sind mir (nun) gar nicht (mehr) wichtig. Damals waren sie es.

    UNVEU

  15. #2740
    Mitglied Avatar von Diplomat
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    Komnenos, da bin ich genau deiner Meinung, besser kann man das ganze nicht darstellen!!!! Aber im Westen war nicht das Piccolo sondern der daraus resultierende Großband die Zweitverwertung, aber das ist völlig Wurscht. Dieses reininterpretierte Fernweh ist eigentlich Quatsch. Mosaik war erfolgreich weil es einfach gut war. Westliche Journalisten konnten sich nicht vorstellen das es etwas gutes in der DDR gab ,schon gar kein Comic. Da musste irgendetwas herhalten was den Erfolg erklärt , einfach nur gut geht nicht. Ich kenne niemanden ,mich eingeschlossen, der das Mosaik gelesen hat um gedanklich in den Urlaub zu fahren, das Heft war da kein Ersatz. Die guten Geschichten, Zeichnungen und die spitzen kolorierung war ausschlaggebend. Aber der eine oder andere mag das anders sehen aber auf dem Neos war er trotzdem- noch- nicht.
    Geändert von Diplomat (04.01.2022 um 16:27 Uhr)

  16. #2741
    Mitglied Avatar von CHOUETTE
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    @komnenos: Allerbesten Dank für die (mir) neuen Vergleiche mit Nickel und Kieser. Die Zahlen kannte ich nicht. Sehr beeindruckend. Ich denke, da gibt es wenig dagegen zu argumentieren.
    Fasse dich kurz! Nimm Rücksicht auf Wartende!

  17. #2742
    Mitglied Avatar von komnenos
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    Es gibt ein schönes Zitat aus einem Spezial zum Thema Literatur aus der ,,Jungen Welt'' von 2015, welches ich für einen meiner künftigen Mosaiker-Artikel rausgesucht habe:

    ,,Der hochsubventionierte Kulturbetrieb der DDR ermöglichte Künstlern eine Arbeitsweise wie sie unter marktwirtschaftlichen Bedingungen schlicht nicht denkbar ist. Wobei es auch ein persönliches Verdienst von Hegenbarth war, von den ihm gebotenen Möglichkeiten den richtigen Gebrauch zu machen.''

    Mosaik wurde sicher nie direkt subventioniert, aber mit dem Aufwand, der da reingesteckt wurde, hätte sich unter westlichen Produktivitätsbedingungen noch deutlich mehr Geld verdienen lassen. Das Ergebnis war aber ein qualitativ hochwertiges Produkt, und das einzugestehen bzw. überhaupt zu erkennen, fällt manchem Journalisten schwer. Es ist viel einfacher das Klischee vom Unrechtsstaat und seinen Fluchtnischen zu bedienen.

    In einer Gesellschaft, in der es immer nur um höher, weiter, schneller geht, und die Vielzahl der Produkte darüber hinwegtäuscht, dass viele qualitativ minderwertig sind und ob der Überproduktion weggeschmissen werden, könnte man auch mal anders auf das Mosaik und die Produktionsverhältnisse dahinter schauen.

  18. #2743
    Mitglied Avatar von gbg
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    Ich bin "fernwehmäßig" bei Komnenos und pteroman.
    Zu DDR-Zeiten hatte ich diesbezüglich keine Ambitionen unbedingt die Orte aufzusuchen. Erst nach der Wende, wenn es einen zufällig im Urlaub in eine Mosaik-Location verschlagen hatte, dann konnte man auch speziell danach schauen.
    einzig meine Venedig-Reise war vorher mosaikbezüglich etwas geplant.
    Die Übertragung bundesdeutscher Befindlichkeiten auf das Sujet des Mosaik kann ich auch nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich ist es eine Art "Minderwertigkeitskomplex". Nur über "Mein Auto, mein Haus, mein Geld" konnte sich der BRD-Mensch identifizieren.

    Das es auch rein ideell geht, ist denen heute noch fremd. Deshalb sind alle Erklärungen in Bezug zur Faszination Mosaik für die "gebrauchten Bundesbürger" immer im materiellen Kontext, wozu auch das Reisen gehörte.

    So habe ich es auch nicht bedauert oder war heißhungrig auf Bananen, nur weil die Affenhorde selbige gleich Schiffsladungsweise verspeiste.
    Einzig, ach so, von dort sollen sie kommen? Ich dachte immer die bringt der Weihnachtsmann und der wohnt ja bekanntlich nicht in der Karibik

  19. #2744
    Moderator Leipziger Comicgarten Forum Avatar von thowiLEIPZIG
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    Zitat Zitat von gbg Beitrag anzeigen
    So habe ich es auch nicht bedauert oder war heißhungrig auf Bananen, nur weil die Affenhorde selbige gleich Schiffsladungsweise verspeiste.
    Einzig, ach so, von dort sollen sie kommen? Ich dachte immer die bringt der Weihnachtsmann und der wohnt ja bekanntlich nicht in der Karibik
    EHRLICH? Och menno, Herr gbg, Jetzt nimmst du mir gerade meine allerletzten Vorstellungen vom einer heilen Welt.
    Wie ist das eigentlich mit den KIWIs? Die werden doch aus so kleinen Vögeln (vorher getrocknet) gemacht, oder?


  20. #2745
    Mitglied Avatar von komnenos
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    Zitat Zitat von thowiLEIPZIG Beitrag anzeigen
    Wie ist das eigentlich mit den KIWIs? Die werden doch aus so kleinen Vögeln (vorher getrocknet) gemacht, oder?...
    Genau, sie heißen dann THOWI, Thorougly dried KIWI


  21. #2746
    Mitglied Avatar von gbg
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    Ich überlege gerade, wo bei den Digedags Kiwis vorkommen???

  22. #2747
    Mitglied Avatar von Sinus_Cosinus
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    Ich sehe es auch wie die meisten hier und meine Erinnerung es mir wiedergibt. Eine Reisesehnsucht hatte ich zunächst als Kind nicht, ich erfreute mich an den spannenden und vor allem lustigen Geschichten des Mosaik. Fernweh bestand dadurch nicht und kam auch nicht auf. Das kam erst später als 17-/18-Jähriger. Aber da habe ich das Mosaik schon lange nicht mehr gelesen legte ich gerade eine längere Lesepause ein.
    Geändert von Sinus_Cosinus (05.01.2022 um 15:46 Uhr)

  23. #2748
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    Ich war zur Wende noch zu jung, um mir schon solche Gedanken gemacht zu haben beim Mosaik-Lesen.

    Grundsätzlich würde ich das "Fernweh-Argument" aber nicht als Mythos oder Fehlinformation abtun wollen. Wir dürfen eins nicht vergessen: Hier im Forum sind die "fanatischsten der fanatischen Fans" unterwegs. Unsere Mosaik-Erfahrungen müssen also nicht zwangsläufig den "Durchschnittsleser" widerspiegeln. Hatte das Mosaik nicht in den 80ern sogar eine Auflage von einer knappen Million? Von denen dann ein sehr großer Teil relativ schnell weggebrochen ist? Möglicherweise haben also "fernweh-süchtige" Leser das Heft nicht mehr gebraucht?

  24. #2749
    Mitglied Avatar von Nante
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    Ich würde das eher auf die Kombination von nachlassender Qualität und einer Unzahl von Konkurrenzprodukten zurück führen. Speziell,wenn man sich anschaut, wo sich die Faxe in den letzten Jahren vor der Wende herum getrieben haben. Asien vom Euphrat bis nach Japan dürfte auch heute noch nicht von der Masse der damaligen Leser besucht wurden sein.
    Bei der Gelegenheit mal Danke an @ KOmnenos für die Infos in #2738
    Eine Krise kann jeder Idiot meistern. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.
    (angeblich) Anton Tschechow

  25. #2750
    Mitglied Avatar von komnenos
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    Zitat Zitat von Maschu1 Beitrag anzeigen
    ...Hatte das Mosaik nicht in den 80ern sogar eine Auflage von einer knappen Million? Von denen dann ein sehr großer Teil relativ schnell weggebrochen ist? Möglicherweise haben also "fernweh-süchtige" Leser das Heft nicht mehr gebraucht?...
    Ich gehe davon aus, dass die Jounalisten, die die Fernweh-These verbreiten, keine 0,001% dieser ehemals 1Mio Leser befragt haben, um das heraus zu finden. Da haben wir hier im Forum jetzt schon mehr Meinungen zusammen, und bisher ist Fernweh keineswegs die dominierende Komponente der Mosaikleidenschaft.

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