H. P. Lovecrafts Berge des Wahnsinns 1 – Gou Tanabe
Nach einigen Kurzgeschichten und der „Farbe aus dem All“ wagt sich Gou Tanabe nun also an H. P. Lovecrafts berühmteste Geschichte. Es gibt wohl kaum eine Lovecraft Erzählung, die derart starken Einfluss auf so viele Werke ausgeübt hat, sei es im Kino, TV oder auch bei anderen kreativen Unterfangen. Das mag zum einen an der geheimnisvollen Faszination liegen, die das Unbekannte ausübt. Diese bedrohlichen Orte am Rand der uns bekannten Welt, wo echter Entdeckergeist und unbändiger Mut gefragt ist, um sich in diese Gefilde vorzuwagen. Wo der Mensch all seine Neugier bündelt und bereit ist jedwede Gefahr für die Entdeckung neuer Welten und die Erlangung neuen Wissens auf sich zu nehmen, so wie es die Arktisforscher um die Jahrhundertwende taten. Sicherlich hat sich der Gentleman aus Providence von diesen Pionieren inspirieren lassen, als er sein breit angelegtes Expeditions-Epos mit seinen wie immer abgründigen und erschreckenden Träumen verheiratete.
Kein Wunder also, dass sich immer wieder kreative Geister dazu berufen fühlen diese zeitlose Story aufzugreifen. Der berühmteste Vertreter ist sicherlich Filmemacher Guillermo del Toro, der seit über 10 Jahren erfolglos versuch ein hoch budgetiertes, episch anmutendes Filmprojekt zu realisieren, welches nach aktuellem Stand wohl leider niemals das Licht der Welt erblicken wird, sozusagen in der Pre-Production-Hölle von Hollywood versunken ist. Allerdings gibt es ein echt wahnsinniges (und unglaublich witziges) Brettspiel von 2017, mehrere gelungene Hörspieladaptionen (z.B. in der Gruselkabinett Reihe), Hörbücher, Spielerweiterungen (z.B. zu Eldritch Horror & Arkham Horror), ein wohl ziemlich misslungenes PC Game und so weiter und so fort. Um die Kinovariante von Del Toro tut es mir sehr leid, ich denke er wäre ein idealer Kandidat gewesen um den Stoff in grandiosen Bildern umzusetzen, aber grandiose Bilder kann auch Gou Tanabe, wie er schon mehrfach unter Beweis gestellt hat.
Die Miskatonic Universität schickt eine Gruppe von Polarforschern auf eine Rettungsmission, um den Verbleib von 12 Wissenschaftlern aufzuklären, die bereits zuvor in die Antarktis aufgebrochen waren, zu denen jedoch jeglicher Kontakt abgebrochen ist. An den letzten Bekannten Koordinaten ihrer Vorgänger angekommen, erwartet die Wissenschaftler und Abenteurer ein blutiges Bild des Grauens. Das erschreckende Szenario ergibt aber keinen logischen Sinn, um herauszufinden was wirklich vorgefallen ist müssen die von Forscher- und Entdeckerdrang angetriebenen Männer tiefer und tiefer in die Eiswüste vordringen, bis hinter einen in der Ferne auszumachenden, eisigen Gebirgskamm…
In wunderschönen, vor Details berstenden Schwarz/Weiss-Bildern erweckt Meister Tanabe die Zeit der großen Arktisexpeditionen mit ihren Helden Shackleton, Ahmundsen und Scott zum Leben. Ich kann die eiskalte Luft beim Lesen und bestaunen des Artworks beinahe in der Nase spüren und versinke fast unmittelbar nach dem Start der Lektüre in dieser Zeit und dieser Welt, die sich so bald in eine gar furchtbare Alptraumlandschaft verwandeln soll. Ein „wahnsinnig“ gelungener Start, der mich nach dem finalen zweiten Teil lechzen lässt. Wenn man denn ein kleines Haar in der Suppe finden möchte, so sind das die vielleicht etwas statisch wirkenden Gesichter der Beteiligten, aber hey, vermutlich sind die vor lauter Grauen in Schockstarre gefallen, dann passt das wieder.
9/10
Wer sich für „reale“ Arktisexpeditionen, oder einfach für unglaublich spannende Abenteuergeschichten interessiert, dem sei der Tatsachenbericht „635 Tage im Eis“ zur wohl berühmtesten Shackleton-Expedition wärmstens empfohlen. Es ist unglaublich, was diese Leute damals geleistet haben! Habt Ihr Euch schonmal mit den Arktis-Expeditionen beschäftigt? Gehören die Berge des Wahnsinns zu Euren liebsten Lovecraft-Stories, oder bevorzugt Ihr andere? Und kennt jemand hier das abgedrehte, aber äußerst innovative Brettspiel?
VG, God_W.
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