[...] Starke Charaktere: In diesem Comic-Thriller, adaptiert von Doug Headline nach einem Roman von Jean-Patrick Manchette, sind die einzelnen Figuren regelrecht gegeneinander positioniert. Im übertragenen Sinne: Mit gesenkten Köpfen, bereit, um aufeinander zuzurennen. Jean-Patrick Manchette hat sehr interessante Hauptfiguren kreiert. In Zeiten des Kalten Krieges agieren die Sturköpfe hinter den Kulissen.
[...] Manchette erschafft mit Ivory Pearl eine Frau, die sich ohne Wenn und Aber ihrem Leben bis zur Erschöpfung hingibt.
Die grafische Umsetzung der Geschichte von Max Cabanes, der für seine Arbeit den Prix PolarEncontre 2010 erhielt, weiß insbesondere durch die Darstellung der Gefühle ihrer Charaktere zu überzeugen. Gleich der Auftakt gibt einen Vorgeschmack auf die kunstvolle Optik, die Cabanes einzusetzen versteht: Zwei Killer stehen sich gegenüber. Eine Lüge steht im Raum. Keiner verzieht eine Miene. Sie ziehen nur ihre Waffen, Pistole und Machete. Dieses Grundgefühl, er oder ich, ist das unterschwellige Thema der Handlung. In einer Welt, in der bereits ein siebenjhriges Kind zum Spielball wird, zählt ein Erwachsener erst recht nicht.
Cabanes will Platz für seine Bilder und nutzt jedes Fleckchen auf der Seite aus, in drei, vier, manchmal fünf Reihen. Möglichst viele Blickwinkel zerren die ernsten Gefühle der Figuren ans Licht. Echte Heiterkeit, Freude ist selten. Cabanes errichtet neben den Szenen im kubanischen Dschungel eine sehr realistisch gezeichnete Welt der 50er Jahre. Gauner, Gangster und Geheimagenten sind vornehm gekleidet. Verhandelt wird in feinen Büros und auf Partys, aber es wird auch munter gemordet. Die Optik ist kühl. Heller und rasanter geraten die umfangreichen Sequenzen auf Kuba, wenn der Dschungel des Kalten Krieges auf den echten Dschungel trifft.
Cabanes legt sich nicht auf eine Strichstärke fest. Zuweilen geraten seine Zeichnungen sehr fein, dann wieder werden Schatten oder Außenlinien sehr grob gesetzt. Die Farbgebung generiert Atmosphäre. Sie ist reduziert, nicht immer mit dem gleichen Realismus eingesetzt wie die Zeichnung. In der Zivilisation ist eher von Abstraktion zu sprechen, während die grüne Hölle treffender koloriert ist und hier auch gerne Farbstimmungen, wie sie in Dämmerungen anzutreffen sind, ausgereizt werden.
Eine dichte Thrillerhandlung, die allein schon durch ihre Charaktere interessant ist, schließlich aber in eine gnadenlose Jagd mündet, in der es für alle Beteiligten nur ums berleben geht. [...]
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