Sherlock Holmes und John H. Watson daheim und selten unterwegs

Teil 1

Holmes saß gelangweilt in seinem Ohrensessel und qualmte seine Pfeife. Die Violine hatte er bereits vor Stunden in die Ecke gelegt. Alles langweilte ihn. Sein Gehirn brauchte Nahrung in Form von Rätseln und wenn möglich von ungeklärten Verbrechen. Das einzige Verbrechen waren allenfalls Mrs. Hudsons Nachfragen, ob er denn nicht etwas zu essen wünsche. Seine Utensilien zur Entspannung hatte er auch beiseite geräumt. Er wusste, dass Watson ihm sonst wieder einen ärztlichen Vortrag halten würde. Das wäre aber auch nicht zielführend gewesen. Diese dauernden Wiederholungen langweilten Holmes ebenfalls. Ein Gegner wie Moriaty wäre ihm jetzt recht gewesen. Diese Herausforderungen waren für seinen Geist nötig, um nicht in eine surreale Welt abzudriften. Watson wusste zum Glück nichts davon. Dieser hätte dies in seinen Geschichten aufgenommen. Denn Watson war ein sehr korrekter Chronist aller Geschehnisse, die mit Holmes in Verbindung standen. Doch das hätte alle Dimensionen gesprengt und somit behielt Holmes dies vorerst für sich. Die Zeit war für derartige Storys noch nicht reif.

Während Holmes weiter an seiner Pfeife zog und den Rauch in die bereits sehr verräucherte Stube blies, öffnete sich die Tür und Watson stürzte völlig aufgelöst hinein.

„Holmes, Sie werden es mir nicht glauben, was ich gerade erlebt habe.“

„Immer mit der Ruhe, Watson. Sie sind ja ganz durcheinander. Aber ich weiß, was Ihnen widerfahren ist: Sie machten sich in aller Ruhe auf den Weg in die Baker Street, nachdem Sie Ihren Dienst im Krankenhaus beendet hatten. Sie nahmen keine Kutsche, sondern wollten den Weg zur Entspannung zu Fuß nehmen. Ein Windstoß – heute ist es draußen sehr windig – blies Ihren Hut hinfort. Als Sie versuchten, diesen wieder einzufangen, blieben Sie mit Ihrem Mantel an einem Rosenstrauch hängen. Da verloren Sie einen Knopf, als Sie sich davon befreiten. Der Hut wurde weiter in ein Gartenbeet geweht. Ihre staubigen Schuhe verraten, dass Sie durch dieses Beet stapften mussten, um ihn wieder zu bekommen. Sie warfen sich somit mit voller Wuchts ins Beet und begruben Ihren Hut unter sich. Dann machten Sie sich überstürzt auf den Weg zu mir, um darüber zu berichten. So war es. Stimmt doch, Watson. Fall gelöst.“

„Wie immer haben Sie fast recht. Ich wurde unterwegs angegriffen in einen Dornenstrauch gestoßen. Der Angreifer fiel über mich her, wobei mein Mantel Schaden nahm und mein Hut zerdrückt wurde. Mit letzter Kraft konnte ich den Angreifer abschütteln und mich hierher retten.“

„Hab ich´ s nicht gesagt. Zumindest das Beet passte.“

„Ach Holmes, wann liegen Sie denn mal mit Ihren Annahmen richtig?“

Seufzend ließ sich Watson auf einen Sessel nieder und reflektierte, wie er nunmehr Holmes wieder als den großartigsten Detektiv der Welt erscheinen lassen könnte. Pure Verzweiflung machte sich bei Watson breit.


27.07.2023
Martin

PS: Fortsetzung könnte folgen ...