Thor Collection von Walt Simonson



Ragnarök bei Walhalla? Ragnarök bei Hellboy? Ach was solls, warum dann nicht gleich nochmal?

Der Thor-Run von Walter Simonson ist ein ganz schön legendäres Stück Comic, welches mir schon mehrfach wärmstens empfohlen wurde, als ich noch sagte, dass ich mit den Standard-Superhelden von Marvel und DC nicht viel anfangen kann, von Bats mal abgesehen. Das sei gar kein typischer Superheldencomic wurde dann oftmals argumentiert, da stecke ganz viel nordische Mythologie drin, womit ich mich ja gerne beschäftige, und überhaupt hat es Simonson einfach drauf grandiose Geschichten zu erzählen und gleichzeitig fulminantes Artwork zu selbigen abzuliefern. Letzteres konnte ich beim von Frank Miller grandios geschriebenen Crossover zwischen RoboCop und dem Terminator schon bewundern. Irgendwann war ich so angefixt, dass ich selbst auch immer mal wieder Panini auf den Run hin angestupst habe, als die Sprache auf Omnibus-Ausgaben. Irgendwann wurden die Gebete der Fans erhört, sicher auch, weil die nächste Kinoauswertung des Hammerschwingers anstand, die dann zwar enttäuschend, lächerlich und peinlich verlief, aber nichtsdestotrotz dürfen die Fans jetzt diesen knapp 1.200 Seiten starken Thor-Run in Händen halten.


Der Inhalt des Bandes.


Ich hab den Brecher jetzt durch und muss sagen, das Teil hat sich gelesen wie geschnitten Brot. Ein bockstarker Run, der sich auch super liest, wenn man keine Thor-Comics zuvor oder danach kennt. Walt Simonson hat hier eine enorm runde Strecke hingelegt, die einen starken Einstieg bietet und direkt zu Beginn mit Beta Ray Bill (geiler Name übrigens) einen enorm coolen Charakter einführt. Dass dieser außerirdische Krieger mit Pferdeskelettkopf nicht nur erfreulich zügig als einer der Guten erkannt wird, sondern im Verlauf der Strecke auch noch ordentlich charakterliche Tiefe und wichtige Aufgaben innerhalb der Story verpasst bekommt hat mir enorm gut gefallen.



Der Inhalt nochmal ausführlicher.


Insgesamt muss ich aber sagen, ist es natürlich doch so, dass es sich hier um einen recht typischen Vertreter der Gattung Superheldencomic handelt. Ja, die nordische Mythologie ist deutlich mit einbezogen, wurde aber ordentlich zurechtgestrickt, um ins Portfolio zu passen. Das ist sicher nichts Schlechtes, man sollte aber auf alle Fälle keine auch nur teilweise originalgetreue Bearbeitung der Edda erwarten. Wer Lust auf so etwas hat, der ist bei Gaimans „Nordische Mythen & Sagen“ (Splitter Verlag) oder auch bei der humorvollen Interpretation „Walhalla – Die gesammelte Saga“ (Edition Roter Drache) deutlich besser aufgehoben.


Das ist aber, wie gesagt, Kritik auf hohem Niveau und überhaupt ist es eigentlich nur für diejenigen ein Kritikpunkt, die nicht sowieso einfach nur Lust auf einen grandiosen Superheldencomic haben. Der Band bietet eine fesselnde, in großen Bögen und mit vielen Highlights ausgestattete Story, die auf ein fulminantes Gesamtfinale hinsteuert. Zwischendurch kommen kreative Meisterstücke wie Thors Zeit als Frosch im Central Park, inklusive der Auflösung der Legende um die Alligatoren in New Yorks Kanalisation, oder ein Heft, welches ausschließlich in Splashpages bebildert wurde auf die Seiten. Ein erzählerisch absoluter Hochgenuss war für mich auch die Mini-Serie rund um Balder the Brave (Erstveröffentlichung bei uns!) und die Storystrecken der Hauptreihe, in denen Balder stärker im Fokus stand.


Das Artwork ist durchweg als äußerst gelungen zu bezeichnen. Walter Simonson ist niemand, dessen Zeichenstil durch enormen Detailreichtum oder durch Feingliedrigkeit besticht, vielmehr ist es die unbändige Energie und Dynamik, die in seinem Schwung liegt, gepaart mit der Ausdrucksstärke der Gesichter, welche die Zeichnungen zu einer actionreichen Augenweide werden lassen. Aber auch nachdem sich Simonson nur noch auf das Storytelling beschränkt, und den Zeichenstift an Sal Buscema weitergereicht hat, bleibt die Reihe dynamisch und ansehnlich, wenn auch eine kleine Nummer schwächer als zuvor. Die neue Kolorierung gefällt mir übrigens sehr gut, nach den paar Vergleichsbildern, die ich online einsehen konnte, sogar besser als die Ursprüngliche, aber darum lässt sich natürlich trefflich streiten.


Insgesamt ein wilder Ritt durch Midgard, Asgard und Utgard, mit spannenden Geschichten, einem großen roten Faden und fulminantem Finale. Nach Soules Daredevil mein zweiter größerer Ausflug in die Marvel Superheldenwelt und bei mir nur ganz knapp hinter dem starken Band mit dem gehörnten Anwalt.

8-8,5/10

VG, God_W.