User Tag List

Ergebnis 1 bis 7 von 7

Thema: Narben (Warren Ellis & Jacen Burrows)

  1. #1
    Mitglied Avatar von #churchi
    Registriert seit
    11.2019
    Beiträge
    1.347
    Mentioned
    147 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Blog-Einträge
    3

    Narben (Warren Ellis & Jacen Burrows)

    NARBEN

    Scars # 01-06 (US Avatar / 2002-2003)



    (Dantes Verlag / 2019)

    Warren Ellis & Jacen Burrows


    Ellis macht hier gleich auf den ersten Seiten klar wo die Reise hingehen soll…

    Inspektor John Cain und sein Partner Pat Amersham von der Mordkommission werden zu einem Tatort gerufen.
    Bei einer abgelegenen Lagerhalle werden sie bereist von Kollegen erwartet.

    Als sie die Halle betreten blicken sie auf ein Massaker. Es gab eine Schiesserei (oder Hinrichtung)
    und ein gutes Dutzend blutüberströmter Leichen füllen mit ihrem Gestank den Raum.



    Ein kurzer Blick zeigt das es wohl um einen Krieg unter Drogenbanden ging.
    Pässe, Flugtickets und die weiblichen Leichen deuten daraufhin das die Frauen als Kuriere dienten.

    Während der Untersuchung macht John noch eine Entdeckung. Ein Faß voller, bis auf die Knochen verbrannter Babyleichen.
    Zum schmuggeln werden tote Babies ausgeweidet, mit Drogen ausgestopft und anschliessend zugenäht.
    Während des Fluges fallen die „schlafenden“ Säuglinge nicht auf und am Zielort werden sie dann einfach entsorgt.


    Der Fall ist was für die Sitte, aber das nächste grausame Verbrechen wartet schon.
    Vor einer Geschäftsstelle eines Kinderschutzvereines werden drei Pakete auf den Bordstein abgelegt.
    Die Mitarbeiterin geht von einer Spende aus, als sie eines der Pakete öffnet macht sie einen Horrfund.
    Eine Leiche wurde zerstückelt und fein säuberlich auf die Pakete verteilt.

    Wie sich später herausstellt handelt es sich bei der Toten um ein 11 jähriges Mädchen.
    Tiffany Amber Payne verschwand auf dem nach Hauseweg vor 3 Monaten. Am hellichten Tage.
    Sie musste in den Händen ihres Peinigers über die Zeit schreckliche Qualen durchleiden und fand ihr Ende in den drei Kartons.


    Den Fall bekommen John und Pat zugewiesen. Wobei John selbst mit seiner Vergangenheit zu kämpfen hat.
    Bei einem Überfall wurde seine schwangere Frau erschossen und er wurde dabei auch verletzt.
    Dieses Trauma hat er nie überwunden und leidet seit dem an Psychosen.

    Ob er der richtige für so einen an die Nieren gehenden Fall ist?

    Die beiden überbringen den Eltern von Tiffany die traurige Nachricht und begraben damit die letzten Hoffnungen
    die sie seit dem verschwinden ihrer Tochter noch hatten. John schwört ihnen den Täter nicht davon kommen zu lassen.

    Die Uhr tickt. Der Mörder könnte erst auf den Geschmack gekommen sein…





    Warren Ellis greift hier ein sehr heikles Thema an und kommt dabei gleich auf den Punkt.
    NARBEN ist kein Wohlfühl Thriller, sondern möchte den Leser einen Schlag in die Magengrube verpassen.
    Hier geht es nicht um die „schönen“ Artikel die wir in den Medien präsentiert bekommen,
    sondern Ellis will einen unverstellen Blick auf die Arbeit all derer die sich tagtäglich mit dem
    Blut und dem Gestank der Scheiße herumschlagen müssen.

    Eine Freundin von mir arbeitet für das Gericht, bei ihrer Tätigkeit musste sie unter anderem auch Tatorte abfotografieren.
    Ab und an erzählt sie mir auch in von den Grauslichkeiten die sie da mitbekommen hat.
    Will nicht ins Detail gehen, aber aus diesem Blickwinkel wirkt NARBEN leider sehr realistisch.

    Jeder kennt hierzu vermutlich eine Geschichte, Ellis wird es nicht anders ergangen sein.
    Er vermengt hier reelle Vorfälle und man merkt ihm an das er hier versucht eigene Ängste zu verarbeiten.
    Seine eigene Tochter war zu der Zeit 7 Jahre alt und bei jedem neuen Artikel über
    ein verschwundenes Kind muss neben der Wut auch in den Fingern gejuckt haben.

    John Cain ist auf dern ersten Blick ein kaputter Charakter. Gegenüber den anderen Figuren ist er aber
    einer der wenigen der noch zur Empathie fähig ist.
    Die meisten Anderen sind von ihrer Arbeit schon so abgestumpft das sie nur noch einen Fall sehen,
    aber nicht mehr das es sich hierbei um eine Person mit Namen und einer Geschichte handelt.
    Abfällige und zynische Bemerkungen wirken erstmals befremdlich, sind aber nur eine Form des Selbtschutzes.
    Seelische Narben die sich über die Zeit bilden.
    In den wirkliglich guten Momenten erinnern die Polizeiarbeit und Dialoge an David Simon’s HOMICIDE
    (das Buch wurde später Grundlage für die Fernsehserie THE WIRE).

    Mit NARBEN präsentiert hier Warren Ellis ein sehr persönliches Werk, am Ende jedes Kapitels
    (bzw. Ende jedes Heftes) ist ein kurzes Essay des Autors.
    Die fand ich zum Teil interessanter als die Handlung. Mit Kapitel 5 übernimmt dann Steven Grant (u.a. PUNISHER).
    Ab hier hatte ich irgendwie das Gefühl Ellis hatte in NARBEN auch schon alles erzählt was er zu sagen hatte
    und wollte nur mehr schnell zum Ende kommen.

    Auf der künstlerischen Seite macht Jacen Burrows einen tollen Job.
    Das Artwork in verschiedenen Graustufen fängt die drückende Stimmung gut ein (Farbe wäre IMO hier sogar unpassend).
    Egal ob John in einer vollen Polizeiinspektion oder in seiner leeren Wohung sitzt, die realistischen
    und schnörkellösen Zeichnungen passen sich der Gefühlslage immer an.
    Auch bei stillen, emotionalen Szenen ist Burrows genau auf dem Punkt.

    Harter Tobak und die 18+ Empfehlung kann man hier ernst nehmen.



    Aber Achtung: Der Konsum dieser Lektüre könnte Magenschmerzen verursachen

    Leseprobe

  2. #2
    Mitglied Avatar von JRN
    Registriert seit
    12.2001
    Beiträge
    2.304
    Mentioned
    164 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)

  3. #3
    Mitglied Avatar von robert 3000
    Registriert seit
    06.2005
    Beiträge
    5.746
    Mentioned
    130 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    ja - der Band ist richtig gut.

    Das war Lesestoff 1A. Tolle Story.

  4. #4
    Mitglied Avatar von joe ker
    Registriert seit
    11.2008
    Ort
    Hinter den Spiegeln
    Beiträge
    1.146
    Mentioned
    72 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Narben von Ellis und Burrows (Dantes Verlag)

    Was wir alle wollen sind Geschichten.
    Geschichten die uns in eine Welt entführen die wir im normalen Leben so nicht erleben können oder wollen. Im besten Fall Geschichten die uns über die Grenzen unserer Vorstellung hinaus tragen. Manchmal aber sind es eher Geschichten die so nah sind, die uns eine Realität zeigen auf die wir gerne Verzichten würden, die quasi fast zu Nahe sind.

    Was macht uns aus, was macht einen zum Individium? Kurz würde ich sagen das gelebte Leben.
    Und hier setzt Narben an. Die Zutaten sind für Genrekenner eigentlich nicht sonderlich neu oder inovativ. Nur zu gut kennen wir den traumatisierten Cop der es mit einem Fall zu tun bekommt, dessen Aufklärung ihn unweigerlich zerstören wird. Das Ellis auch ordentlich austeilen kann sollte ebenfalls bekannt sein und so ist Narben kein Feel-good Comic sondern will ärgern und versucht den Leser zu deprimieren. Das gelingt Ellis hier zum großen Teil aber eben nicht komplett. Zurück zum Individium, denn Narben trifft den einen mehr, den anderen weniger, eben so wie die Lebensumstände, Lebensentwicklung war.
    Hätte ich den Band vor 20 Jahren gelesen, wäre es ein eindringlicher Thriller für mich gewesen. Hätte ich den Band vor 10 Jahren gelesen, hätte ich mich ebenso emotional davon gefangen nehmen lassen wie Ellis selbst. Jetzt habe ich den Band gelesen und es ist ein wenig mehr als ein eindringlicher Thriller, aber die Emotionen die ich vor 10 Jahren gefühlt hätte sind nicht mehr so relevant.

    Was bleibt ist ein gut gemachter Thriller, der leider ein wenig an kleinen Wehwehchen krank. So ist für mich das Trauma Cains zu weit ausgebreitet und eher schwer nachvollziehbar, auch wenn es jetzt hart klingt, aber es gibt schon einen Unterschied ob man ein Kind verliert oder ein Ungeborenes. Da hat Ellis für mich einfach zu weit ausgeholt, gerade die erste Seite des Bandes irritiert und passt im Verlauf der Story nicht mehr so richtig.
    Auch das Ende kam dann etwas zu schnell für mich, wirkt so als hätte Ellis nicht mehr viel zu erzählen gehabt.

    Ohne Scheiß, das ist jetzt von mir Nörgeln auf extrem hohem Niveau, denn Narben ist eine sehr gute Story, die gerade durch Burrows grandlinigem Stil hervorragend unterhält. Es liegt halt einfach, wie immer , im Auge des Betrachters was er aus der Story mitnimmt und wie ich schrieb, ich hätte vor 10 Jahren mehr mitgenommen als heute. Warum, kann sich jeder selber ausmalen
    "If you can't dazzle them with brilliance, baffle them with bullshit." W.C.Fields

  5. #5
    Mitglied Avatar von JRN
    Registriert seit
    12.2001
    Beiträge
    2.304
    Mentioned
    164 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    @joe ker :



    Ich kann Dich gut verstehen. So ist es mir bei dem Versuch gegangen, irgendwann nach der Pubertät noch mal etwas von Hesse zu lesen. Dessen Werke fand ich echt mal ansprechend ... aber irgendwann nicht mehr.
    An Narben fand ich vor allem Ellis' Reflektionen interessant ... aber ich hab' auch 'nen Polizisten als Vater.
    Ellis hat in Narben einfach ein paar Sachverhalte sehr gut dar- oder zur Diskussion gestellt, die sonst oft hinter der Schaulust verschwinden. Klar ist Se7en irgendwie geiler ... aber auch sehr viel eskapistischer.
    Josch und ich haben länger diskutiert, ob wir die Einleitung drin lassen oder ans Ende des Bandes verschieben sollen ... weil darin IMHO zu dick aufgetragen wird. Matt Fraction hat versucht, die Werbetrommel für das TPB zu rühren, nach dem Motto: "Ihr habt die Story ja eh alle schon in Heftform gelesen, wenn ihr sie jetzt zum zweiten Mal lest, achtet vor allem auf Folgendes!" Das tut ihr nicht gut. Narben ist eine kleine, dreckige Studie. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und sie wirft noch einmal ein interessantes Schlaglicht auf die "Selbsttherapie", die Ellis gelegentlich in seinen Szenarien betreibt ...

    Es gibt also Gründe, dem Werk eine Chance zu geben ... auch wenn es eher "sperrig" als "meisterlich" ist.

    Mit 1000 Grüßen,
    JRN

  6. #6
    Mitglied Avatar von robert 3000
    Registriert seit
    06.2005
    Beiträge
    5.746
    Mentioned
    130 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Ich fand Narben überhaupt nicht sperrig. Eher das Gegenteil. Fand die Storyline recht flüssig zum lesen.

    Ich muss aber gestehen, dass ich nur die Story durchgelesen habe und mich mit dem Text dazwischen erst danach gewidmet habe.
    Vielleicht lags auch daran.

  7. #7
    Mitglied Avatar von Psiclops
    Registriert seit
    03.2022
    Ort
    Astro City
    Beiträge
    103
    Mentioned
    16 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Wir brauchen mehr solche Charakter! Tragische, gebrochene, lebensnahe Persönlichkeiten, die dennoch stark sind und über sich hinauswachsen. Man! Wie ich z.B. Rorschach und Spawn liebe!
    Finde, in den Reviews wirkt John Cain verdammt sympathisch. Hätte ich mehr Kohle momentan, würde ich instant bestellen. Aber das kommt noch ...

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •