Da kauft man sich eine Reihe nach und erwartet einen netten, erwachsenen BL-Titel und bekommt eine detaillierte Kritik/Kommentierung des amerikanischen Justiz- und Gefängnissystems, einschließlich aller folgenden Sachen:
1. Die Partizipation von Gefängnissen im Privat- statt Staatsbesitz am Aktienmarkt
2. Die Formation einer Industrie um Gefängnisse herum, was zu einer Nutzung von Gefängnisarbeitern als billiges Unter-Mindestlohn-Personal führt und somit zu einer Verurteilung aufgrund tatsächlich vorliegender schwerwiegender Vergehen, sondern zur Einbuchtung von Leuten, die sich nicht gegen das System wehren können, wie sozial isolierten Drogenabhängigen (prison industrial complex)
3. Rassenkonflikte - insbesondere dass außerhalb eines Gefängnisses der kulturelle Hintergrund einer Person eine ebenso große Rolle spielt wie das Aussehen, aber innerhalb eines Gefängnisses nicht
4. Trans sein in Gefängnissen
5. Die explizite Benennung von absoluter und situationeller Sexualität
6. Vergewaltigung nicht als Lustgewinn, sondern als Instrument zur Kontrolle und zum Hierarchieaufbau
7. Das Vorhandensein von In- und Outgroup als soziale Konstrukte und das das Fehlen/Verschwinden einer Outgroup notwendigermaßen zu einer Spaltung der verbliebenen In-Group führen muss
8. Selbstjustiz als Staatsgewaltersatz bei versagender Gerechtigkeit und irrelevanten Zusatzstrafen (125 Jahre Gefängnis und weitere Vergehen werden lediglich mit mehr Jahren bestraft)
9. Die Senkung von investigativer Effizienz durch nichts bringende kindische Konkurrenz von CIA und FBI
Da war ich richtig erstaunt wie sehr es in die Tiefe ging, besonders in den ersten zwei Bänden! Die Reihe war eine ziemlich akkurate Zusammenfassung meines Twitter-Feeds die letzten paar Monate.
Etwas sauer aufstoßend war dann, dass Nathan - der Charakter, der viele dieser Kritiken äußert, sich als Schurke entpuppt. Dadurch kommt natürlich die Frage auf, was davon tatsächlich autoriell unterstützt wird. Aber ich würde vermuten, dass es ernst gemeint ist, da die restlichen Charaktere da hauptsächlich zustimmen.
...Um das Niveau schlagartig wieder zu senken: Ein herzliches Dankeschön für Riveras und Dicks Oberweiten - genau wie ihre Persönlichkeiten reichhaltig gefüllt, heyyo~.
Jaaa, die Haupthandlung war auch gut - es war fesselnd zu lesen, wie Yuto sich durch das Gefängnis und seine sozialen Gruppen manövriert. Und es war auch sehr interessant, dass die tatsächliche Beziehung erst einmal überhaupt nicht ins Rollen kam, um sich mit den Nebencharakteren zu befassen. Und ein weiterer Pluspunkt war Yutos intime Freundschaft mit Rivera, der superleicht als romantischer Rivale hätte hingestellt werden können, aber zum Glück ist das nicht passiert! Wenn es dann aber zur tatsächlichen Romantik kam, wurden die Dialoge und Monologe schön BL-typisch schmalzig.
Das Ende kann man theoretisch so hinnehmen, aber praktisch will ich das nicht. :P Die LN muss her, entweder bei TP oder bei Gay Romance-Prosa-Verlagen wie Cursed (Mir war gar nicht aufgefallen, dass die im Archiv gelandet sind, aber überraschen tut's mich auch nicht)
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