Was der von James M. Barrie lose nach einem griechischen Gott erdachte und von Disney weltberühmt gemachte, unsterbliche Junge in den Schweizer Alpen macht…



Titel: Auf der Suche nach Peter Pan

Verlag: Cross Cult (Fr: Éditions du Lombard)

Format: 160 Seiten im überformatigen Hardcover

Inhalt: Signé – Intégrale I – A la recherche de Peter Pan T1+T2

Autoren: Cosey

Zeichner: Cosey

Klappentext bzw. Angaben des Verlags:
Die Walliser Alpen, kurz vor 1930. Unter dem Vorwand an seinem neuen Roman zu arbeiten, zieht sich der englische Schriftsteller mit serbischen Wurzeln Melvin Woodsworth in die menschenlichte, verschneite Wildnis des Schweizer Gebirges zurück. Die Suche nach Inspiration wird für den jungen Autor zu einer Begegnung mit seiner Vergangenheit.

1950 geboren, hat sich Cosey, mit bürgerlichen Namen Bernard Cosandey, mit seinen kraftvoll erzählten, autobiografisch angehauchten Comic-Roman als einer der wichtigsten Schweizer Comickünstler etabliert. AUF DER SUCHE NACH PETER PAN wurde mit dem Max-und-Moritz-Preis für die "beste deutschsprachige Publikation 1988" prämiert und gilt als Coseys reifste und kunstvollste Arbeit. Cross Cult präsentiert eine aufwendig aufbereitete und neu übersetzte Ausgabe des lange vergriffenen Comicklassikers.



Just my 2 cents:
Ein stolzes kleines Völkchen, etwas eigensinnig, aber sehr unabhängig. Hartnäckig und hart im Nehmen, aber auch stets fleißig und bereit für das zu arbeiten was sie zum Leben brauchen. Das sind die Einwohner des Wallis, einem Kanton in den Schweizer Alpen, oder so waren sie zumindest bis zum 19. Jahrhundert. Denn das bis dahin nahezu komplett autark lebende Bergvolk kämpfte zwischen Sumpfgebieten und eisgepanzerten Bergen stets ums Überleben, schaffte es aber immer das Nötigste was an Kleidung und Nahrung gebraucht wurde aus eigener Kraft zu beschaffen.

Mindestens ebenso eindrucksvoll ist der Wandel, den die Menschen des Wallis in weniger als 50 Jahre vollzogen, weg von den kernigen Eigenbrötlern, hin zu gleichwertigen Partnern der längst industrialisierten Nachbarn. Das ist schon eine beachtliche Leistung und zeigt deutlich aus welchem Holz die Walliser geschnitzt sind. Ich bin wahrlich kein Experte für die Schweiz oder das Wallis selbst und unser Urlaub, den wir für dieses Jahr im neutralsten Staat der Welt geplant hatten musste leider auf kommendes Jahr verschoben werden, aber das ist der Eindruck den ich durch die dreiseitige Einleitung von André Guex gewonnen habe, die Cross Cult dem überaus ansehnlichen, großen Hardcover spendiert hat. Dazu ein großes Interview mit Autor und Zeichner Cosey selbst sowie ein ausführlicher redaktioneller Teil über ihn und sein Schaffen. Wahnsinnsausstattung! Wie dem auch sei, schon jetzt, ohne je dort gewesen zu sein glaube ich, ich mag die Menschen im Wallis, weil sie scheinbar ein Schlag Menschen sind, die sich selbst treu bleiben, sowas respektiere ich.



In diese nur bedingt gastfreundliche Gegend, genauer in ein kleines Bergdorf, verschlägt es kurz vor 1930 den englischen Schriftsteller Melvin Woodsworth. Vordergründig sucht er nach Inspiration zu seinem neusten Werk und hofft durch die atemberaubende Landschaft von der Muse geküsst zu werden, doch seine wahren Motive gehen tiefer. In dem über dem Dörflein thronenden, mittlerweile aufgegebenen und leerstehenden Grand Hotel, welches den Charme von Kings Overlook Hotel ausstrahlt, war sein Bruder zuletzt als Pianist angestellt. Jetzt will Melvin herausfinden, was es mit der mysteriösen Nachricht über den Tod seines Bruders auf sich hat.

Dieser an sich schon spannende Kern der Geschichte entwickelt sich zu einer ausufernden, vor wunderbaren Ideen und Charakteren angefüllten Kollage wie sie harmonischer und stimmiger kaum sein könnte. Da ist der etwas trübselige Held, der in dieses verlassene Dorf kommt, was mich schon auf den ersten Seiten an den abgründigen, wortkargen und grandiosen Alpen-Western Das finstere Tal erinnert. Allerdings geht es keineswegs so roh und brutal weiter in besagtem Leinwand-Schmuckstück. Der traurige Held trifft eine die geheimnisvolle Schönheit, ein Robin Hood-artiger Geldfälscher wird von den Gendarmen verfolgt und ist stets auf der Suche nach einem Versteck und ganz nebenbei werden die tragischen Umstände ausgebreitet, wie es dazu kam, dass sein Bruder die Familie verließ. Und während all diese Handlungsstränge zwischen Krimi, Drama, romantischer Liebesgeschichte, Gaunerstück mit Westernelementen und feinem Humor aufeinander zulaufen schwebt über allem der drohende Absturz des Gletschers und die damit einhergehende Vernichtung des ganzen Dorfes.



Nach dem in bunten Farben schillernden Miracleman und dem lauten und brachialen Sin City komme ich hier zu den leisen Tönen. Erzählt in viel Weiß und gedeckten Brauntönen breitet Cosey eine wundervoll bebilderte Geschichte aus, die von den Werken aus der neunten Kunst, die ich bislang gesichtet habe am ehesten den Begriffen grafischer Roman oder Novelle gerecht wird. Weshalb? Ich habe keinen blassen Dunst, aber für mich fühlt es sich einfach so an. Es fühlt sich so an, als müsste man diese zarte Geschichte mit einem Flüstern erzählen und die Seiten vorsichtig umblättern, aus Angst sie könnte sich verflüchtigen, oder zerbrechen. Ein Kleinod wie man es nicht so häufig in die Hände bekommt, und einzig das für meinen Geschmack etwas zu kitschige Ende verwehrt die absolute Höchstnote.

Meine Wertung: 9/10

Eine klare Empfehlung für alle, die abseits von Superhelden mal nach einer fesselnden, aber in ruhigem Tempo erzählten, wunderschönen Geschichte in realistisch historischem Setting suchen. Für alle Schweizliebhaber und die, die es werden wollen sowieso. Jetzt freue ich mich gleich nochmal so sehr auf nächstes Jahr, wenn wir endlich in die Schweiz fahren! Noch jemand hier so begeistert von dem Werk wie ich?

VG, God_W.



PS: Ach, Ihr fragt Euch, was das Ganze mit Peter Pan zu tun hat? Lest das Ding und findet es selbst raus!