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Thema: Comic-Stammtisch: Tödliches Wiegenlied

  1. #1
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Post Comic-Stammtisch: Tödliches Wiegenlied

    TöDLIcheS WIeGEnLieD


    Band 1-3

    Orginaltitel: Berceuse assassine
    - Tome 1: Le coeur de Telenko 01/1997
    - Tome 2: Les jambes de Martha 01/1999
    - Tome 3: La mémoire de Dillon 01/2002

    Deutsche Veröffentlichung: Juli 2000/Apr.2002
    Verlag: Speed XXL
    Autor : Tome (Philippe Vandevelde)
    Zeichner: Ralph Meyer


    Zeichner: Ralph Meyer

    Zeichner Ralph Meyer erblickt am 11. Aug. 1971 das Licht der Welt.
    Als Jugendlicher möchte er eigentlich Tischtennis-Meister werden, doch haben seine Eltern Ihn für eine andere Berufswahl vorgesehen – eine Karriere als Künstler. Mit 24 Jahren trifft er den berühmten Szenarist Tome und spricht Ihn direkt an.
    Dieser zog ein Projekt aus der Schublade, das dort seit fünf Jahren schlummerte.
    -- Tödliches Wiegenlied –
    Man wurde sich schnell einig und es war wohl für beide ein Glücksfall, hauptsächlich aber für Ralph Meyer, denn er bekam nach seiner Ausbildung von sämtlichen Verlagen ein Jahr lang nichts als krasse Absagen. Künstlerisches Vorbild: Miguelanxo Prado


    Szenario: Tome

    alias Philippe Vandervelde, wurde 1957 in Brüssel geboren. Nach einer gemeinsamen Zeit mit Janry als Assistent bei Dupa (»Cubitus«), wo die beiden an Serien wie »Jupp Heister« von Francis, »Albert Enzian« von Greg und »Robin Ausdemwald« von Turk und de Groot mitwirkten, gestalteten Tome und Janry ab 1979 die Spieleseite in dem belgischen Traditionsmagazin »Spirou«. Ein Jahr später übernahmen sie die Titelserie »Spirou und Fantasio« aus den Händen von Cauvin und Nic Broca und führten sie zu neuen Höhen. Beide teilten sich die Arbeit an Text und Bild, bis sich Tome 1987 entschloss, sich nur noch um die Texte zu kümmern. Aus seiner Feder stammen auch die Stories zu »Der kleine Spirou«, der in Zusammenarbeit mit Janry und Gazzotti entstand. Tome ist ein vielbeschäftigter Comicautor (»Soda«, »Zufällige Nähe« u.a.), der 1997 erstmals ein Skript für einen realistischen Comic veröffentlichte.


    Band 1 - Das Herz eines Taxifahrers

    Joe Telenko ist Taxifahrer in New York. Joe hat ein schwaches Herz. Und zu Hause
    wartet seine Frau Martha, die er hasst - Die ihn hasst !
    Beide reden kaum noch ein Wort miteinander. Nur eins ist gewiss: sie wird ihn nie verlassen. Sie kann nicht mehr gehen, seit dem Unfall damals... Die einzig mögliche Trennung ist für beide also die ursprünglich vorgesehene: "Bis dass der Tod euch scheidet...„ !
    Aber Joe bleibt nicht mehr viel Zeit. Deshalb hat er beschlossen, Martha Beine zu machen - Ihren Abgang entscheidend zu beschleunigen. Als er durch Zufall einen Revolver bekommt, will er seine Tat vollziehen – doch im entscheideten Augenblick mangelt es Ihm an Mut. Nach einem durch die Polizei vereitelten Überfall, verhilft er `Bill´ dem letzten verbliebenen Gangster zur Flucht. Dieser soll seine Schuld begleichen, indem er Martha tötet. Doch wieder einmal läuft alles anders als Joe denkt und letzendlich kann die Devise nur noch lauten ...
    „ Kill Bill “


    Band 2 - Die Beine der Tänzerin

    Martha hasst Joe. Er stinkt, er raucht, er geht fremd. Er ist Schuld, dass sie gelähmt ist. Seine Macho-Allüren brachten sie in den Rollstuhl. Dann findet sie im Keller eine Schaufensterpuppe – im Rollstuhl – mit einer Gabel im Herzen. Die Zeichen mehren sich, dass Joe sie los werden will und zwar endgültig. Sie fasst ihrerseits einen Plan. Joes Hausarzt und Freund spielt darin eine wichtige und tödliche Rolle.
    Nachdem sie durch einen versteckten Brief von Helen – Arthur´s Frau – erfahren muß, dass Arthur für den Tod seiner eigenen Frau verantwortlich ist, nimmt sie diesen Umstand um Ihn für Ihre Zwecke zu erpressen. Doch Arthur spielt nicht mit, stattdessen will er sich an die Polizei wenden. Es überschlagen sich die Ereignisse, nachdem auch noch `Bill´ die Szenerie betritt. Bill erschießt Arthur und wir sehen die Geschehnisse des ersten Bandes aus Martha´s Sicht, wie Telenko zurückkommt und es zum Kampf mit tödlichen Ausgang zwischen Ihm und `Bill´ kommt.


    Band 3 - Das Gedächtnis des Indianers

    Navajo Dillon Bowie – bricht aus einer Anstalt aus, in der er wegen angeblicher Vergewaltigung einsaß – kehrt nach Hause zu seiner Frau Shinya und Tochter Hope zurück. Doch zu Hause angekommen, findet er nur Shinya vor, Hope ist Opfer eines Unfalls – mit Fahrerflucht – geworden. Nachdem Shinya Ihrem inneren Druck nicht mehr Stand halten konnte, sucht sie den Freitod. Dillon ist seitdem nur noch von einem Wunsch getrieben, den Mörder seines Kindes zu finden. Er erfährt den Namen des Unfallflüchtigen – Telenko – und dessen Beruf – Taxifahrer – doch wo, in welcher Stadt soll er suchen !?!
    Nach einer endloser Odyssee kann Dillon den Taxifahrer finden, der vor langer Zeit durch seine Leichtsinnigkeit für den Tod seines Kindes – und die Lähmung dessen eigener Frau - verantwortlich war. Doch wo die Rache ihren Lauf nehmen sollte findet der einsame Indianer nur Tristesse, Tod und Verzweiflung – wo können da noch die eigenen Rachegefühle greifen?


    The EnD


    Link für Neueinsteiger zu unserer kleinen Regelkunde:Regelwerk
    Geändert von hipgnosis (31.07.2006 um 15:31 Uhr)

  2. #2
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    Echo - Echoo - Echoooo-ho

  3. #3
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    O.K., fang ich mal an.
    Warum muss es eigentlich immer einer der üblichen Verdächtigen sein ?

    Nun, da wir schon mal an anderer Stelle darüber lamentiert haben, dass sich die bisherigen Stammtische durch zu große Harmonie auszeichneten - nur in ihren unterschiedlichen Graden der Begeisterung waren die Teilnehmer uneins - hier eine Chance zum kontroversen Diskutieren, denn ich bin nicht begeistert von "Tödliches Wiegenlied" !

    Hat ein Autor eine relativ gewöhnliche Grundidee für einen Plot (Mann und Frau hassen sich bis aufs Blut und wollen das Ableben des jeweils anderen beschleunigen), sollte er sich überlegen, wie er dies auf eine Weise präsentiert, die beim Publikum kein Gähnen auslöst.
    Einer der Kniffe, dies zu tun, ist mit Perspektivwechsel zu arbeiten, d.h. mit unterschiedlichen Blickwinkeln.

    Im Falle von „Tödliches Wiegenlied“ lässt Autor Tome verschiedene Personen eine sich in zentralen Punkten überschneidende Geschichte durchleben und erzählen, allerdings gefärbt von deren eigener Sichtweise.

    Diese Technik ist – geschickt gehandhabt – dadurch besonders interessant, dass sie in unterschiedlich geprägte Gedankenwelten Einblick gibt und im besten Fall nicht nur zeigt, dass zwei Personen auf ein und dasselbe Ereignis unterschiedlich reagieren sondern auch warum dies geschieht.

    Großartig gelungen ist dies in dem 2002 in die Kinos gekommenen Film "Wahnsinnig verliebt" von Laetitia Colombani und in gewisser Weise stand das Thema "unterschiedliche Realitätswahrnehmung" natürlich auch im Mittelpunkt des von Ron Howard inszenierten und im gleichen Jahr gestarteten, viel prominenteren Film "A beautyful mind".
    In beiden Filmen wird die verzerrte Realitätswahrnehmung jedoch durch die psychische Krankheit ihrer Protagonisten erklärt.
    Auf solch mildernde Umstände können sich die Akteure im "Wiegenlied" nicht berufen.

    Die Titelbilder des "Wiegenlieds" weisen schon darauf hin, dass deren drei Teile eine Einheit darstellen: Auf jedem sehen wir vor einem gelbem Hintergrund Hände, die mit einem Tötungsinstrument bewappnet sind.
    Gelb ist die Farbe der New Yorker Taxis und dieses gelb scheint uns in den ansonsten in blassen Farben gehaltenen drei Alben wie Neonlicht permanent daran erinnern zu wollen, in welcher Branche Joe Telenko arbeitet.
    Das Blut, das auf Cover Nr. 2 die Klinge des Messers besudelt, ist jedoch nur für den Effekt, im Album selbst bleiben alle Messer unbefleckt.
    Die story/stories zwischen den Umschlagseiten der drei Alben werden aus der Sicht der Personen erzählt, die die jeweilige Waffe (auch ein Stein wird hier zu einer solchen) auf dem Cover in der Hand halten.

    In Album 1 bekommt Joe Telenko Gelegenheit, seine Sicht der Dinge darzustellen, Teil 2 geht an dessen Ehefrau Martha und der Abschlussband wird von Dillon Bowie erzählt.

    Dabei wird der Leser von Band zu Band nicht nur mit den unterschiedlichen Wahrnehmungen ihrer Erzähler konfrontiert sondern werden nach und nach mehr Informationen (z.B. über das Schlüsselerlebnis der story: den Autounfall der Telenkos) preisgegeben.
    Ein Puzzle vervollständigt sich. Die zunächst durch die „Brille“ Joe Telenkos gefilterte Realität bekommt Konturen.
    Aber nicht nur, dass Joe Telenkos Version durch die Marthas oder Dillons ergänzt wird (der Leser dadurch ein Plus an Informationen erhält), Joes ganz persönlichen Wahrheiten erhalten auch Risse durch die zwei folgenden Zeugnisse, ähnlich wie es wohl täglich bei der Polizei oder vor Gericht bei der Vernehmung von Zeugen passiert.

    Interessanterweise prallen in den beiden ersten Alben die Eheleute Telenko zwar unerbittlich aufeinander - sie hassen sich abgrundtief - doch dadurch darauf zu schließen, sie seien zu unterschiedlich füreinander, wäre falsch.
    Beide sind sich eher zu ähnlich: über alle Massen ich-bezogen, ist dies auch die Quelle ihrer unterschiedlichen Wahrnehmung.
    Warum erfahren wir beispielsweise erst im dritten, von Dillon Bowie erzählten Teil, dass bei dem Unfall, der die Ehe scheinbar zerstörte, ein Kind zu Tode kam ? Weil der Egoismus beider Eheleute so groß ist, dass sie sich auch in ihren Erinnerungen mit den Ereignissen nur insoweit beschäftigen, wie eigenes Kümmernis daraus entstand. Das getötete Kind wird ausgeblendet. Insbesondere Joe, der bei seinem Unfall betrunken am Steuer saß, hätte allen Grund, Gewissensbisse zu haben.
    Aber auch Martha ist nur ein Haufen Selbstmitleid.
    Der eine wendet sich an seinen scheinbaren Freund, den Alkoholiker Arthur, die andere an die Telefonseelsorge. Beide sind emotionale Wracks.

    So weit, so gut. Alles eigentlich sehr interessant.

    Wäre da nicht der dritte Teil ...
    Geändert von felix da cat (01.10.2005 um 19:01 Uhr)

  4. #4
    Mitglied Avatar von kokomiko61
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    Es ist hier ungefähr so wie in einem Saal, nachdem ein interessanter Vortrag gehalten wurde und der Referent fragt: "Gibt es noch irgendwelche Fragen?"
    Was passiert? Alles schweigt. Aber trotzdem wars ein guter Vortrag. Bei mir liebt die Schweigsamkeit darin begrundet, dass ich immer immer nur auf der Suche nach den richtigen Worten bin um das auszudrücken was ich meine. Das ist nicht immer einfach und ich stehe mir gern selbst im Weg.

    Zitat Zitat von felix da cat
    .... Alles eigentlich sehr interessant.

    Wäre da nicht der dritte Teil ...
    Ja, der dritte Teil. Ich weiß nicht was uns Felix sagen wird!?
    Durch ZACK war für mich der dritte Teil der erste Teil den ich gesehen habe (zunächst ohne ihn zu lesen) und der mir allein auf Grund der graphischen Darstellung den Wunsch verschafft hat, die beiden ersten Teile haben zu müssen. Lobende Kommentare im Forum haben diesen Wunsch verstärkt und so habe ich mir die beiden Alben bestellt und mit großer Spannung gelesen.
    Dann die dritte Folge: War ein kurzer Zeitabschnitt der Inhalt der ersten beiden Alben, greift der dritte Band weit zurück. Erst auf den letzten Seiten findet er die (zeitliche) Verbindung zu den vorangegangenen Bänden. Das hat mich schon ziemlich gestört.

    Das nur so aus der Erinnerung. Bevor ich da weiteres anmerken kann muss ich doch erst mal neu lesen...

    Doch war meint Felix?

  5. #5
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Ab in den Ring:

    Tödliches Wiegenlied ist eine düstere, demprimierende, desillusionierte Liebesgeschichte
    Dillon liebte sein Kind und seine Frau. Beide verlor er auf tragsiche Art und Weise: Joe Telenko brachte sie ohne jegliche Gewissensbisse um. Doch bei dem Unfall starb nicht nur die Tochter von Dillon. Letztendlich zerstörte er auch sein Leben und das seiner Frau. Zurück blieben sich hassende Eheleute, die davon träumen, den jeweils anderen tot zu sehen. Doch eigentlich genießen sie auch die gegenseitigen, seelischen Grausamkeiten, die sie sich tagtäglich zufügen. Die Hassliebe hält sie am Leben und gibt ihnen Kraft, z. B. um einen Mordplan zu entwickeln.
    Die sie umgebende Hoffnungslosigkeit wird eindruckvoll in düsteren Panels wiedergegeben. Allein der Einfall der Colorierung ist genial. Hinzukommt die Idee, Details der Story in jedem Band ein wenig mehr zu offenbaren. Und der Clou erwartet uns dann im dritten Album. Dillon, der von seinen Rachegedanken getrieben wird, erkennt, dass Joe und Martha längst ihre eigene Hölle gefunden haben. Sie sind bereits tot.

    Fazit der Story: Als Joe die Tochter von Dillon, Hope, tötete, starb die Hoffnung auf ein glückliches Leben.

    Eine ungewöhnliche/außergewöhnliche Story für einen Comic. Allein für dieses (gelungene) Experiment geht bei mir der Daumen nach oben.

    Ciao
    Martin

  6. #6
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    Andre Juillards "Das blaue Tagebuch" hat erstaunlicherweise ein eigenes Comic-Genre geschaffen: die dreiteilige Comicgeschichte aus drei verschiedenen Perspektiven. Ohne das "Blaue Tagebuch" hätte es "Tödliches Wiegenlied" nicht gegeben.

    In der Filmgeschichte kann man bis zu Akira Kurosawas "Rashomon" zurückgehen, in dem ein Verbrechen viermal aus unterschiedlicher Sicht dargestellt wird.

    Ich kenne nur die dritte Folge von "Tödliches Wiegenlied" aus ZACK, und dort gefiel mir die Moral nicht ("Alles verlogene Schweine, nur Kinder, Tiere und Indianer sind ehrlich").

  7. #7
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Zitat Zitat von Hate
    Andre Juillards "Das blaue Tagebuch" hat erstaunlicherweise ein eigenes Comic-Genre geschaffen: die dreiteilige Comicgeschichte aus drei verschiedenen Perspektiven. Ohne das "Blaue Tagebuch" hätte es "Tödliches Wiegenlied" nicht gegeben.

    In der Filmgeschichte kann man bis zu Akira Kurosawas "Rashomon" zurückgehen, in dem ein Verbrechen viermal aus unterschiedlicher Sicht dargestellt wird..
    Also ist "Tödliches Wiegenlied" nicht einzigartig, aber trotzdem ungewöhnlich.

    Zur Beteiligung: Wer mitmachen will, macht mit, wer nicht, eben nicht. Keiner kann gezwungen werden, hip. Wäre aber schön, wenn mehr Leute dazu Lust hätten.

    Ciao
    Martin

  8. #8
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    hi,
    ein kleiner Beitrag zu eurer Diskussion über das Ausmaß der Beteiligung:

    Ich denke ihr solltet einfach in bisheriger Quallität und Form weiter über euer Hobby diskutieren und darauf bauen, dass über die Freude die ihr am Austausch und der Diskussion habt kontinuierlich neue Teilnehmer geworben werden.

    Sehr ihr, bei mir hat es funktioniert!
    Tödliches Wiegenlied:

    Ich bin mit meiner Meinung zu diesem Dreiteiler nahe bei felix da cat. Die ersten beiden Alben haben mich sehr angesprochen. Gerade der Perspektivwechsel machte den ernormen Reiz der Erzählung aus. Die innerpsychischen Vorgänge der Beziehungspartner aus der jeweiligen Perspektive beschrieben konnten fesseln und waren schlüssig.
    Man konnte im ersten Band den Beweggründen von Joe ebenso folgen wie es im zweiten Band gelang die Motivation von Martha nachzuvollziehen. Insgesamt entstand so nach diesen zwei Alben das Gesamtbild einer zutiefst zerstörten und desillusionierten Beziehung.

    Im dritten Album jedoch wird einfach eine neue Geschichte aufgemacht. Es wird eine neue Figur eingeführt, die getrieben von Rache, unterstützt von mystischen Elementen (diffuse Indianermystik) die Geschichte zum Ende führt. Die Auflösung, bzw. die Ursache der Zerrüttung der Beziehung von Joe und Martha wird quasi nebenbei mitpräsentiert.

    Mich hat das leider überhaupt nicht überzeugt, im Gegenteil eher verärgert. Ich hatte ein Gefühl dabei als ob in einem Krimi auf der letzten Seite ein Mörder aus dem Hut gezaubert wird, der in der bisherigen Geschichte keine Rolle spielte.
    Interessanter hätte ich es gefunden, wenn der Autor auch im Abschluss seiner Erzählung aus Band 1+2 bei den bisher toll skizzierten Figuren und ihren Beweggründen geblieben wäre.

    Also, insgesamt klasse angelaufen (Band 1+2), jedoch zu kurz gesprungen (Band 3)

    Okay, dass war mein erster Beitrag, macht weiter so.

  9. #9
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    So kontrovers scheint diese Diskussion dann doch nicht zu verlaufen @felix_da_cat !

    Auch mir gefiel die Storyline bis nach dem 2. Band sehr gut. Wobei ich noch eine Steigerung im 2. Band ausgemacht haben will - darüber aber später mehr.

    Doch mit dem 3. Band bekam die Handlung für mich einen deutlichen Riss.
    Nicht das mich die Einführung des Navajos Dillon so sehr gestört hätte. Schließlich hat man ihn schon in Band 1, S.27 + Band 2, S.32 - als Mitfahrer im Taxi von Telenko + als " Penner " vor Telenko´s Haus gesehen.
    Auch das ein Kind überfahren wurde, ließ sich vielleicht noch erahnen - Band 2, S.3 ( Der Luftballon - und der ausgestreckte Arm eines Kindes )

    Aber die bishin klasse psychoanalytische Studie einer zerüttenden Beziehung, so krass in einen super konstruierten Plot umzuwandeln fand ich schon ein starkes Stück.
    Damit wurde eine große Chance verschenkt, die bis dahin bizarre Handlung zu einem wirklichen Höhepunkt zu formen.
    Die Indianer-Mystik wurde ja schon erwähnt - ich kann es bald nicht mehr lesen, daß sobald in heutigen Tagen das Thema Indianer angeschnitten wird, diese immer absolute Sozialfälle oder Psychowracks darstellen. Was haben die Leute immer für Vorstellungen - Cowboy + Indianer (Winnetou-like) oder Säufer !! Naja, ziemlich eindimensional !!

    Warum konnte Tome nicht einfach den Unfall kurz schildern um dann wieder auf die beiden Hauptprotagonisten umzuschwenken - die Handlung hat doch direkt nach einem " Grande Finale " geschrien !

    Stattdessen kommt zum Abgang die dämlichste Auflösung die man hätte machen können - ich rede von den letzten beiden Seiten des 3. Bandes !
    Auweia - was hat die Autoren denn da geritten ??? Und das ganze dann noch mit diesem Pathos und der einsetzenden Kolorierung zu untermalen.
    Und natürlich muß noch der obligatorische Adler kreisen - schließlich ist es ja ein Indianer - wäre es ein " Normalo " gewesen, hätte man sicher die amerikanische Flagge eingeblendet !!

    Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, daß man für dieses Ende ganze 3 Jahre brauchte (2. Band 01/1999 - 3. Band 01/2002).

    Zurück zu den beiden besseren ersten Bänden.

    Vorab fällt einem natürlich die sehr ungewöhnliche Farbgebung auf - die erst mit Hineinlesen in die Storyline richtig an Wert gewinnt - das ist alles sehr stimmig - da kann man sich gar nicht vorstellen, daß Ralph Meyer vorher nur Absagen von den Studios bekam !
    Auch die Umschlagsgestaltung ist wirklich erste Sahne !!

    Ein super dickes Extralob muß man allerdings dem deutschen Letterer Matthias Rottler machen. Ich wüßte wirklich nicht, schon einmal ein besseres und saubereres Lettering gesehen zu haben - MeisterKlasse !

    Auch die deutsche Übersetzung scheint mir, obwohl ich das Original nicht kenne, mehr als stimmig. Dafür muß man einfach auch mal Pluspunkte verteilen !!

    Für mich sensationell gelungen, ist die Irritation meines eigenem Empfindens für die Beiden Hauptakteure Joe + Martha. Ist man nach dem Lesen des ersten Bandes noch voller Mitgefühl für Joe´s Situation und kann sich nichts anderes vorstellen - als das Martha endlich der " Garaus " gemacht wird, so wechselt nach dem Lesen des 2. Bandes völlig die Symphatie und man hinterblickt erstmal, welch Machohaftes Ars..lo.. dieser Joe Telenko eigentlich ist !
    Also das ist schon grandios vermittelt worden.
    Auch der Aufbau + die Änderung der Erzählperspektive von Joe zu Martha ist für mich große Erzählkunst. Ich mag auch diese absurden und makabren Plots, daher auch das " Kill Bill " in meiner Inhaltsangabe - konnte ich einfach nicht lassen !

    Aber dann zum Abschluß wie gesagt der Dämpfer mit dem 3. Teil - Schade !
    Geändert von hipgnosis (02.10.2005 um 16:11 Uhr)

  10. #10
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Anscheinend bin ich wohl der einzige, der nicht von Band 3 enttäuscht ist, sondern eher dies als i-Tüpfelchen der ganzen Serie ansieht. Deshalb ein Erklärungsversuch von mir für meine Meinung:

    1. Erwartungshaltung wird durchbrochen

    Nie und nimmer habe ich mit einer weiteren Person in diesem zweiseitigen Drama zwischen Joe und Martha gerechnet. So war ich sehr überrascht von dieser Wendung. Was andere nunmehr als unerwartete Einführung einer neuen Person negativ bewerten, gefiel mir eher. Es ist somit keine konsequente Fortführung der bisherigen beiden Alben. Konsequenter wäre vielleicht gewesen, die Geschichte aus Sicht des Arztes fortzuführen. Vielmehr findet sich in Band 3 die Geschichte aus der Sicht des Opfers. Und wer taugt in Amerika mehr als Opfer als die Indianer?! Und alle drei Alben sind voll von Klischees, mit denen Tome vorzüglich spielt.

    2. Versteckte Hinweise auf Dillon und das Wiegenlied in den Vorgängeralben

    Besonders gefallen haben mir auch die versteckten Hinweise auf Dillon und das Wiegenlied in den Vorgängeralben, die erst einen Sinn ergeben, wenn man den dritten Band gelesen hat. Zuvor hatte ich mich gefragt, was das mit dem Lied sollte.

    3. Überraschendes Ende

    Ich gebe zu, dass ich beim ersten Lesen mit Spannung erwartet habe, was nun aus Joe und Martha wird, ob es vielleicht sogar ein Happy-End gibt oder wer wen tötet. Zuerst war ich ebenso sauer auf Tome, dass er den Leser so "veräppelt". Doch dahinter steht m. E. die Aussage, dass die beiden Eheleute so hoffnungslos fertig mit ihrem Hass aufeinander sind, dass man sie ohne weitere Beachtung in ihrer eigenen Hölle schmoren lassen kann. Hauptfigur soll Dillon sein, der die Erlösung findet. Mit dieser Erklärung kann ich mit dem Ende (gut) leben.

    4. Indianermystik

    Selbstverständlich ist die ganze Indianermystik klischeehaft. Trotzdem hat es mir gefallen. Indianer stehen immer noch als Symbol für verfolgte, unterdrückte und fast ausgerottete Völker. Ich habe ein Herz für diese Völker. "Böser, weißer Mann töten gute, junge Squaw!" Naja, ist vielleicht ein wenig dick aufgetragen.

    5. Stärkeres Mitfühlen bzgl. Joe und Martha

    Einen Negativaspekt für den dritten Band will ich mir jetzt aber nicht verkneifen (bin ich vielleicht doch ein Opportunist?). Ich selber habe auch mehr mit Joe und Martha mitgefühlt als mit Dillon. Die Charakterstudien aus den ersten zwei Bänden waren wohl doch überzeugender / prägender für das Gesamtbild als der Abschlussband.

    Ciao
    Martin

  11. #11
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    Original geschrieben von mir:
    So weit, so gut. Alles eigentlich sehr interessant.

    Wäre da nicht der dritte Teil ...
    Original geschrieben von kokomiko61:
    Doch was meint Felix?
    Da ist man mal etwas mehr als einen Tag nicht da und schon beantwortet ein Großteil der anderen Forumsteilnehmer diese Frage.

    Aber ich will's für mich und die, die's interessiert doch nochmal in eigene Worte fassen (schließlich stimmt Niemand mit Niemandem 100%ig überein):

    Warum der letzte Teil der Trilogie die ganze story mMn abschmieren lässt:

    Tome begeht den Fehler über das ursprüngliche Thema seiner Geschichte hinaus zu gehen (hier große Übereinstimmung insbesondere zu hkopf und hipgnosis). Er entschließt sich mit Band 3 nicht mehr nur mit seinem bis dahin gelungenen Personen-Drama fortzufahren sondern richtet die Geschichte neu aus und beginnt zu predigen.
    Und was wirklich schlimm ist: er ordnet seine Geschichte dieser Predigt unter.
    Der dritte Band liest sich streckenweise wie ein Traktat (hier auch große Übereinstimmung mit hate).
    Z.B. so:
    Dillon Bowie ist ein Amerikaner indianischer Abstammung. Natürlich sitzt er unschuldig im Knast. Als er dort auf den Putz haut, schwingt der Wärter voller Vorfreude aufs Reindreschen seinen Schlagstock. Er entkommt, wird von einem indianischen Polizisten (der seine „Herkunft“ verraten hat) darüber informiert, dass betrunkene Weiße sein Kind überfahren haben, muss sich später von einem weißen Polizisten einen rassistischen Witz anhören, bekommt es mit einem eiskalten weißen Anwalt zu tun, wird von Polizisten auf der Straße aufgelesen, die ihn belehren, wie New York funktioniert, hat es dann auch tatsächlich mal mit einer hilfsbereiten weißen Polizistin zu tun, zitiert die berühmten Worte des Häuptlings Seattle, die mittlerweile leider trotz ihres Wahrheitsgehalts zu einem Klischee verkommen sind, lernt einen freundlichen alten Indianer kennen, über dessen Ableben nur er trauert, begegnet dem korrupten Chef Telenkos, der, um nicht von seinem Angestellten denunziert zu werden, diesen skrupellos ans Messer liefert und zeigt allen seine moralische Überlegenheit, da er nahezu der Einzige ist, der sich nicht vom Hass zerfressen lässt.

    Mit Ausnahme der netten weißen Polizistin und vielleicht noch ein, zwei bedeutungsloseren Charakteren, findet man in allen 3 Teilen nur zwei, vielleicht drei halbwegs sympathische Figuren und alle sind Indianer. Der Mord, den einer von ihnen am Ende des 3. Teils, Seite 46, begeht, kommt im Zusammenhang mit dem zuvor gesehenen wie ein Befreiungsschlag daher; schlimmstenfalls aber scheint es so, dass der Indianer durch die Gewalt des perversen Rest-Amerika infiziert wurde.

    Wie gewalttätig Dillons Umgebung ist, führt uns der Autor in extrem inszeniert wirkenden Häppchen vor, die sich zu jeder Zeit vor jedermanns Augen auf New Yorks Strassen abzuspielen scheinen, ganz nebenbei findet er sogar eine Pistole als er wieder einmal Kriminelle bei der gegenseitigen Verfolgungsjagd beobachtet (Band 3, Seiten 24, 34, 46).

    Das hat die Wucht einer Dampfwalze und das Einfühlungsvermögen eines Holzhammers.

    Und ist auch nicht immer logisch: Auf Seite 14 (immer wieder Band 3) erfährt Dillon, dass er nicht mehr polizeilich gesucht wird, da sich der ursprünglich gegen ihn bestehende Verdacht der Vergewaltigung erledigt hat. Bei seiner Flucht hat er jedoch mindestens einen Wärter blutig geschlagen. Wieso ist die ansonsten so gnadenlose Welt auf einmal so nachsichtig mit ihm ?

    Auch, wenn Dillon im Gefängnis saß: Wieso hat er nichts von dem Unfall seiner Tochter mitbekommen, wieso nichts von dem Deal mit seiner Ehefrau (hatte er etwa kein Sorgerecht ? ).

    @Martin 37: Auch ich empfinde Sympathie mit einem in seiner Geschichte mitunter übelst behandelten Volk, aber wenn schon Kritik, warum nicht eine andere Geschichte erzählen ? Warum durch diese Kritik die eigentliche story regelrecht zupflastern. Hätte nicht die ein oder andere abfällige rassistische oder arrogante Bemerkung gereicht ? Das wäre nicht nur subtiler gewesen (und der Leser hätte es weniger aufdringlich empfunden), die eigentlich zu erzählende Geschichte hätte auch vernünftig zu Ende gebracht werden können.

    Aber es gibt noch mehr: Um die tiefe Verbundenheit des Indianers mit den Kräften der Natur (und offensichtlich gehört für Tome das Übersinnliche dazu) zu demonstrieren, kommt uns der Autor zu allem Überfluss noch mit esoterischem Hokus Pokus (Band 3, Seiten 25-27, 39-40). hkopf hat das ja auch schon hart kritisiert.
    Dass Giraud seine wunderbar begonnene Cutlass-story vom weißen Alligator durch diese Effekte grandios in den Sand gesetzt hat, sollte eigentlich reichen (und sein Blueberry ist ja in dieser Hinsicht auch permanent gefährdet, da sei aber bitte Philippe Charlier davor ).

    Ha, ich habe sogar noch was Neues:
    Leider ist auch das Timing der Geschichte zumindest schwer nachzuvollziehen.

    Hat man nach dem Lesen der ersten beiden Teile noch das Gefühl, dass sich Joe und Martha bereits, na sagen wir mal: zwei Jahrzehnte hassen (der 2. Band beginnt mit dem Unfall, der zum Katalysator dieser Gefühle wird und zeigt uns einen dunkelhaarigen, faltenfreien Joe, es ist von der Premiere von „Grease“ die Rede usw.), scheint der 3. Teil dem zu widersprechen. So beginnt dieser letzte Band zwei Monate nach dem für das Mädchen Hope tödlichen Unfall (Seite 8, Bild 5), Dillon begegnet dem Anwalt Lexington zwei bis drei Jahre nach diesem traurigen Ereignis (Seiten 16, letztes Bild), einmal in New York angekommen vergeht in etwa ein Jahr bis zum Showdown zwischen Dillon und den Telenkos.
    Nun, dies muss kein Fehler sein, wenn Dillons Suche in den „östlichen Städten“ (Seite 18) ca. eineinhalb Jahrzehnte gedauert hat. Es kommt dem Leser allerdings nicht so vor.
    Erstaunlich wie spurlos die Jahre nicht nur am Gesicht (und der Haarfarbe) Dillons vorbeigegangen sind sondern auch an denen seiner Bekannten von der county police (vgl. Seite 14 mit Seite 46).

    Wie hipgnosis fand ich das Ende auch etwas schmalzig.
    Es sorgt aber auch für gemischte Gefühle: Klar, Dillon hat Frieden mit sich selbst gefunden. Im Gegensatz zu den Erzählern der ersten beiden Teile und der Zeit vor seiner „inneren Reife“ sieht er die Welt nicht mehr monochrom sondern in "frohen" Farben. Aber deutet die Anwesenheit seiner verstorbenen Tochter und Frau nicht auch an, dass er sich in Phantasien verliert und den Realitätsbezug verliert, zumal sich die Schemen dieser zwei für ihn so wichtigen Personen materialisieren ? Oder hat Dillon sich getötet („Coming home“), was aber der These von der Auffindung des inneren Friedens widersprechen würde.

    Noch ein paar direkte Kommentare:
    Original geschrieben von hipgnosis:
    Auch das ein Kind überfahren wurde, ließ sich vielleicht noch erahnen - Band 2, S.3 ( Der Luftballon - und der ausgestreckte Arm eines Kindes )
    Der gelbe Luftballon hat mich seeeehr an den Smilie aus der ersten Szene meines persönlichen Evangeliums - den Watchmen - erinnert !
    Original geschrieben von Martin 37:
    2. Versteckte Hinweise auf Dillon und das Wiegenlied in den Vorgängeralben

    Besonders gefallen haben mir auch die versteckten Hinweise auf Dillon und das Wiegenlied in den Vorgängeralben, die erst einen Sinn ergeben, wenn man den dritten Band gelesen hat. Zuvor hatte ich mich gefragt, was das mit dem Lied sollte.
    Ja, das fand ich auch gut (ebenso, dass Katchinka, die indianische Puppe immer wieder auftaucht). Schließlich hat das Einbringen von Hendrix' "Hey Joe" sehr gut in die Szene im Band 2, Seite 23 gepasst.

    Übrigens: Band 1, Seite 42, die letzten beiden Bilder: Wieso fällt "Bill" eigentlich in die eine Richtung und liegt dann in die andere ? Sieht nicht so aus als hätte Joe die Kraft, ihn dorthin zu befördern.

  12. #12
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von felix da cat
    Übrigens: Band 1, Seite 42, die letzten beiden Bilder: Wieso fällt "Bill" eigentlich in die eine Richtung und liegt dann in die andere ? Sieht nicht so aus als hätte Joe die Kraft, ihn dorthin zu befördern.
    Ich denke das kann ich aufklären.
    In Bild 9 - Band 1, S.42 sieht es auf den ersten Blick wirklich so aus, als falle Bill auf Joe herab.
    Beim genaueren schauen würde ich aber sagen er greift nach Joe, den er zuvor blutig niedergeschlagen hatte. In diesem Moment drückt Joe aber den Abzug des Revolvers - und der Rückschlag lässt`Bill´ dann nach hinten wegkippen !

    Mir sind aber gerade am Anfang noch andere Ungereimtheiten aufgefallen.

    Joe hat auf dem Titelbild zu Band 1 die Waffe in der rechten Hand und seinen Ehering am Finger. Auf S. 15 z.b. hält er die Waffe dann mit der linken Hand und auf S. 20 4. Bild hat er auf einmal keinen Ring mehr am Finger.
    Oder trägt er Ihn nur zu Hause ? Dem würde dann aber z.b. wieder S.19 Bild 1 wiedersprechen. Diesen Wechsel sieht man recht häufig !!

  13. #13
    Mitglied Avatar von lucien
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    Neben der spannend erzählten Geschichte, die mir trotz der erwähnten Schwächen, sehr gut gefällt, hat mich vor allem die illustratorische Seite beeindruckt.

    Wenn man bedenkt dass Ralph Meyer mit "Das Herz eines Taxifahrers" sein Alben Debüt gibt (zumindest ist mir nichts anderes bekannt), finde ich seine graphische Leistung um so beeindruckender. Allein die Ansichten New Yorks und seiner Bewegung und Gewalt fesseln den Betrachter ob seiner Stimmung und Detailliertheit.

    An seinen Figuren gibt es m.E. auch nichts auszusetzen, neben der immer angemessenen Proportioniertheit sind die Gesichter immer sehr ausdrucksstark. Sowohl der tägliche Verdruß, gepaart mit Haß und Desillusion... exzellent.

    Die Kolorierung mit Schwarz, grau, Sepia und den gelben "Farbtupfern" unterstützt die "noir" Atmospähre so gut, dass man die Bedrückende Stimmung, den Regen und die Kälte (nicht nur die Temperatur!) schier spüren kann....
    Ein Clou der vor Sarkasmus kaum zu überbieten ist, scheint mir neben den gelben Taxis, Marthas Rollstuhl der ebenfalls gelb coloriert wurde.....

    Stellenweise habe ich mich bei den Szenen, in denen Martha mit Rollstuhl ein Zimmer verlässt oder vor Treppen hält an Comes Eva erinnet gefühlt, die offene Tür, der Lichteinfall und die depremierende Fahrt des Rollstuhls. Weiter kann man spinnen, das das Titelbild von Eva ebenfalls in schwarz gelb gehalten ist.....

    Zusammenfassen bleibt für mich Meyer der Pluspunkt dieser Triologie, sein Talent und Können stellt er ja auch seit geraumer Zeit der Serei I.A.N. zur Verfügung. Meyer ist für mich aktuell einer der besten frankobelgischen Zeichner, die sich dem realistischen Stil verschrieben haben.

  14. #14
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von lucien1
    Ein Clou der vor Sarkasmus kaum zu überbieten ist, scheint mir neben den gelben Taxis, Marthas Rollstuhl der ebenfalls gelb coloriert wurde.....
    Das ist mir noch gar nicht so bewußt aufgefallen - aber jetzt wo Du´s sagst - ist wirklich ein pfiffiger Einfall !!

    Zitat Zitat von lucien1
    Zusammenfassen bleibt für mich Meyer der Pluspunkt dieser Triologie, sein Talent und Können stellt er ja auch seit geraumer Zeit der Serei I.A.N. zur Verfügung. Meyer ist für mich aktuell einer der besten frankobelgischen Zeichner, die sich dem realistischen Stil verschrieben haben.
    Ja - wirklich an den Zeichnungen gibt es wirklich gar nichts auszusetzen !
    Ich bemerkte ja schon, wie unglaublich es mir erscheint, daß dieser talentierte Mann wirklich vorher nur Absagen bekommen hat !!

    Bitte klär´ mich mal auf was Serei I.A.N. bedeutet !?!

  15. #15
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    Original geschrieben von hipgnosis:

    In diesem Moment drückt Joe aber den Abzug des Revolvers - und der Rückschlag lässt`Bill´ dann nach hinten wegkippen !

    Also, ich hab wirklich keine Ahnung von Waffen, aber meinst Du nicht auch, dass Joe für den halben Salto, den Bill zwischen den beiden Panels vollführt haben müsste, mindestens eine Bazooka braucht ?

    Joe hat auf dem Titelbild zu Band 1 die Waffe in der rechten Hand und seinen Ehering am Finger. Auf S. 15 z.b. hält er die Waffe dann mit der linken Hand
    Das sollte er auch besser tun. Joe sitzt nämlich in der Szene auf Seite 15 im Taxi und wird mit seinem rechten Arm sicher ab und zu mal kuppeln müssen und da ist 'ne Wumme definitiv im Weg .

    auf S. 20 4. Bild hat er auf einmal keinen Ring mehr am Finger.
    Oder trägt er Ihn nur zu Hause ? Dem würde dann aber z.b. wieder S.19 Bild 1 wiedersprechen. Diesen Wechsel sieht man recht häufig !!
    Am schönsten: in Band 1, Seiten 38, 2. Bild und 39, 3. Bild, da muss ihm wohl der Ring beim scharfen Bremsen vom Finger gerutscht sein ...

    Das gehört ebenso wie das Verwechseln des linken und rechten Armes/Beines zu den häufigsten Zeichnerfehlern.
    Gerade heute habe ich Zehn Gebote 10 gelesen und was sehe ich da: der Araber Abdallah trägt auf Seite 25 aufgrund einer Verletzung eine Binde am linken Arm, auf Seite 32 am rechten (nur für die, die den Band haben und nachgucken wollen).
    Bitte klär´ mich mal auf was Serei I.A.N. bedeutet !?!
    Was, Du liest kein ZACK ?
    Gemeint ist die dort erschienene Serie Ian bzw. I.A.N., war'n Verschreiber.

  16. #16
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von felix da cat
    Also, ich hab wirklich keine Ahnung von Waffen, aber meinst Du nicht auch, dass Joe für den halben Salto, den Bill zwischen den beiden Panels vollführt haben müsste, mindestens eine Bazooka braucht ?

    Aber genau das passiert - je nach Wumme !!
    Mit einer Bazooka würdest Du ihn vielleicht eher pulverisieren !!
    Dann kannst Du auch grade noch größere Geschütze nehmen !




    Zitat Zitat von felix da cat
    Was, Du liest kein ZACK ?
    Gemeint ist die dort erschienene Serie Ian bzw. I.A.N., war'n Verschreiber.
    Nee - les´ich nicht. Will mir nicht schon im Vorfeld immer die Vorfreude auf irgendwelche Serien kaputt machen. Und ein Album kann mir ein Magazin nicht ersetzen. Ich lese dann lieber Magazine mit redaktionellen Sachen - kommt bei ZACK natürlich auch vor - aber eben auch viel Vorveröffentlichungen und da steh´ich dann nicht so drauf !!
    Höchstens wenn mal etwas abgedruckt wird, was ansonsten nicht veröffentlicht wird/wurde - dann kaufe ich mir auch z.B. Zack !
    Übrigens ist das auch derselbe Grund, aus dem ich mir nie die Magic Attack von Carlsen zulegte !!

  17. #17
    Mitglied Avatar von TigerRider
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    Zitat Zitat von hipgnosis
    ...
    Höchstens wenn mal etwas abgedruckt wird, was ansonsten nicht veröffentlicht wird/wurde - dann kaufe ich mir auch z.B. Zack !...
    Und genau da käme die Serie IAN ins Spiel.

    [/OT]

  18. #18
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    Zitat Zitat von TigerRider
    Und genau da käme die Serie IAN ins Spiel.

    [/OT]
    Habe ich mir auch gerade gedacht - die Serie sagte mir nämlich gar nix !!

  19. #19
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    Zurück zum Thema !

    Für mich zwei geniale Szenen von der zeichnerischen Umsetzung:

    1. Band 1 - S.17 Bildfolge 5-9

    Die Ansicht von Telenko über der Toilette

    2. Band 2 - S.46 Bildfolge 4-7


    Martha rollt mit Ihrem Rollstuhl aus der Tür

    Das sind so die kleinen etwas anderen, unüblichen Sequenzen, die mir in Comics immer wieder eine Menge Freude bereiten. Dort kommt irgendwie so ein cineastisches Feeling bei mir auf !

    In Band 3 habe ich dort nichts vergleichbares gefunden.
    Natürlich ist die perspektifische Darstellung in allen 3 Alben sehr gelungen - aber diese kleinen " Goodies " machen halt manchmal doch den kleinen aber feinen Unterschied !!
    Geändert von hipgnosis (05.10.2005 um 19:35 Uhr)

  20. #20
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    Und noch ein paar lustige kleine Beobachtungen !

    Band 1, S.3 Bild 3 - Die Zeitung auf Telenko´s Beifahrersitz, mit dem Aufmacher: " (John) Lenon´s Auferstehung als Vogel "

    Band 2, S.31 Bildfolge 4-7 - Telenko´s Staubsauger hört auf den Namen R2D2 (Star Wars Droide)

    Ansonsten ist mir unheimlich viel Werbung aufgefallen

    Band 1, S.7 Bild 5+6 - Ganzer Schilderwald - Leuchtreklamen Canon usw.
    Band 1, S.13 Bild 3 - über der Eingangstür Pepsi Cola

    Band 2, S.6 Bild 7 - Päckchen Marlboro

    Band 3, S.1 Bild 2 - Dillon schläft unter einer Aiwa - Verpackung
    Band 3, S.26 Bild 7 + S.37 Bild 5 - Bus mit Marlboro - Werbeschild

  21. #21
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    Wollte nochmal etwas zum Thema Gewalt in Tödliches Wiegenlied einwerfen.

    Betrachtet man die Titelbilder, kann sich der Leser ja schon in etwa vorstellen, was auf Ihn zukommt.
    Neben vielen Szenen direkter Gewalt - z.b. Tod von Arthur oder Bill oder die Schlägereien, befremden den Leser vor allem die angedeuteten Darstellungen oder die teils krassen und auch frauenfeindlichen Aussagen.

    Einige " Highlights " :

    Band 1, S.8 Bild 2 - Telenko: " Ich muß keine Angst haben, dass Martha auf dem Rücksitz eines Taxis die Beine breitmacht, um mir das Leben zu verpesten ... "

    Band 1, S.24 Bild 5 - nachdem Telenko feststellte, dass Martha gehen kann: " diese Hure, macht mir die Behinderten-Nummer ... "

    oder einfach nur bizarre Sprüche !

    Band 1, S.44 Bild 1 - nachdem Telenko Bill umgebracht hat: " Und Du, Schwachkopf, wenn Du Dir weniger in die Hosen geschissen hättest, wärst Du jetzt noch am Leben ! "

    Aber am eindrucksvollsten im negativen Sinne, sind wirklich die verhassten Gedanken-Tiraden von Telenko, wenn er über Martha siniert - wie sie ihn ankotzt und alles was sie macht, selbst ihre kleinen menschlichen Bedürfnisse.

    Band 1, S.44 Bildfolge 1-3 Telenko: "Ach Martha ! Wenn du wüsstest wie sehr ich Dich hasse... Dich, Deine gottverdammte Karre ... Deine ekligen Toilettengänge, den Naphtalingestank !"

    Auch eine völlig absurde, bizarre Szene als Bill sich bei Arthur erholt und Telenko Ihn besuchen kommt. Er schaut Fernsehen und man sieht einen Arzt mit einem menschlichen Ohr in der Hand - in der anderen ein Skalpel - und er sagt " Kannst Du mich hören ?" Band 2, S.35 Bild 7

    Gerade diese Szenen hinterlassen doch in den ersten beiden Alben nachhaltigen Eindruck. Es wird eine unheimlich menschenverachtende + vergiftete Atmosphäre geschaffen, welche den Leser trotz aller Brutalität bannt. Hier wird nicht mit feiner Zunge und Sinn für Ironie nur angedeutet, sondern die ganze Bandbreite von derben Sarkasmus bishin zu bitteren Zynismus ausgeschlachtet.
    Mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack - obwohl meisterhaft in Szene gesetzt !

    Ruft man sich nach dem Lesen vom Tödlichen Wiegenlied noch einmal die letzte Lektüre von Gibrat: Der Aufschub in Erinnerung - bekommt man als Betrachter wirklich die sprichwörtliche " Keule " auf den Kopf !!

  22. #22
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    Ich bin normalerweise sehr gegen vulgäre Ausdrucksweise, sie ist für mich idR ein Zeichen kindischer/pubertärer Auflehnung nach dem Motto: ich trau' mich mal ein ganz "böses" Wort zu sagen, um meine Umwelt/Eltern ein bißchen zu schockieren (manchmal spiegelt sie aber auch schlicht eine völlige Unfähigkeit, sich gepflegt auszudrücken).
    In Literatur, Film, Comics usw. muss sie jedoch dann sein, wenn uns eine entsprechende Figur dargeboten wird. Ein Proll wird sich kaum in blumigen Formulierungen üben.
    Telenko haßt ja nicht nur seine Frau, er geht sogar so weit, seine Geliebte (obwohl der Begriff "Liebe" im Zusammenhang mit Telenko obszön klingt) mit der blanken Faust zu schlagen (Band 2, Seite 15).
    Er ist ein schon ziemlich weit herunter gekommener Säufer.

    Daher ist seine frauenfeindliche Ausdrucksweise angemessen. Die wohl kaum brauchbare Alternative (ich gebe zu: nicht die Einzige) zu
    Telenko: " Ich muß keine Angst haben, dass Martha auf dem Rücksitz eines Taxis die Beine breitmacht, um mir das Leben zu verpesten ... "
    wäre wohl:
    "Ich muss keine Angst haben, dass Martha auf dem Rücksitz den Geschlechtsakt vollzieht, um mich emotional zu destabilisieren ..."

  23. #23
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    Kurze abschliessende Bewertung:

    Tödliches Wiegenlied:
    Story: Sehr guter Start, leider dramatischer Absturz im letzten Teil der Trilogie.
    Zeichnungen: Auch nach meiner Kenntnis handelt es sich bei Zeichner Meyer um dessen Albenerstling: Dafür erstaunlich gelungenes Artwork.
    6/10.

  24. #24
    Mitglied Avatar von lucien
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    ich möchte noch kurz was zur Diskussion um den überwiegend negativ beurteilten Band 3 beitragen.

    Das Herz eines Taxifahrers ist mit/aus den Augen Telenkos erzählt, hier erhält er trotz seines sozial und Normen/Werte betreffend, unangemessenen Verhaltens, doch einige Sympathiepunkte beim geneigten Leser.

    Die Beine der Tänzerin relativiert durch Marthas Sichtweise, einige Erkenntnisse bzw. Handlungen des ersten Bandes. Durch ihre Verbitterung ob der Behinderung und der dadurch nicht weiter beschrittene Lebensweg hat es Marha schwerer symphatisch zu wirken oder gar zur identifikation zu rühren. Ihr Schicksal stimmt traurig und erregt Mitleid....

    Das Gedächtnis des Indianers nun wird konsequenterweise aus der Sicht Dillons erzählt. Diese muss ja anders sein als die des Paares Telenko! Er hat eine andere Sozialisation, er hat als zugehöriger eines anderen Volkes eine andere Sicht des Lebens und durch den Unfall auch seine Zukunft verloren. Natürlich sprüht der dritte Band vor Klischees, die werden aber genau so häufig in den ersten beiden Bänden verarbeitet, sie erscheinen uns nur nicht so fremd, wie die Mystik der Indianer...

    Ich persönlich war auch vom dritten Band etwas enttäuscht, aber im Sinne der Geschichte und des Storytelling, m.E. stringent zu Ende gebracht.

  25. #25
    Mitglied Avatar von Martin 37
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    Zur weiteren Einschätzung der Alben möchte ich hier "Das tödliche Wiegenlied" in Bezug zu den Alben "Der Aufschub" setzen, die in einem krassen Gegensatz zueinander stehen (der Comic-Stammtisch macht diesen Vergleich zum Glück möglich):

    1. Liebenswerte Charaktere - Hässliche Typen

    Gibrat schafft in den Alben von "Der Aufschub" außergewöhnlich liebenswerte Charaktere. Tome kreiert (fast durchgängig) verabscheuungswürdige Personen.

    2. Krieg - Frieden
    Friede, Freude, Eierkuchen - Brutalität


    "Der Aufschub" spielt während des 2. Weltkrieges und ist (fast) gewaltfrei dargestellt. "Das tödliche Wiegenlied spielt in "Friedenszeiten" und ist mit Gewaltdarstellungen durchsetzt.

    3. Schöne, heile Welt - Elendiges Leben

    Die bildliche, inhaltliche und sprachliche Darstellung ist so aufeinander abgestimmt, so dass sich einerseits eine äußerst positive und anderenfalls eine äußerst negative Stimmung ergibt.

    4. Andeutung der Judenverfolgung - Rassismus in Amerika

    Der Rassismus ist in beiden Werken ein bedeutendes/bestimmendes Thema. Während Gibrat es sehr dezent anklingen lässt, geht Tome über eine bloße Andeutung hinweg und führt es dem Leser sehr deutlich vor Augen. Für "aufgeklärte" Menschen ist die subtilere Form von Gibrat selbstverständlich kunstvoller. Zum Zwecke der Aufklärung ist selbstverständlich die Art von Tome zweckdienlicher/sinnvoller.

    5. Zuckerguß - Ekel

    Zum einen haben wir eine Geschichte mit reichlich viel "Zuckerguß", andererseits haben wir ein Werk, das einen erschaudern, ja fast ekeln lässt.

    Fazit des Vergleichs

    Obwohl beide Werke so unterschiedlich erscheinen, verstehen für mich die Künstler ihr Handwerk. Sie benutzen als Stilmittel die "Übertreibung", die letztendlich zu einer unrealen "Scheinwelt" führt, einmal im positiven und einmal im negativen Sinne. Die Welten sind aber jeweils so gekonnt dargestellt, dass es Spaß macht, die Alben zu lesen. Den Charakteren wurde in beiden Werken sehr viel Leben eingehaucht, obwohl es eigentlich keine wirklichen Identifikationsfiguren für den Leser sind (Passivität von Julien - Schlechtigkeit von Joe Telenko). Insgesamt für mich eine künstlerische Meisterleistung.

    Geschmacklich ist bei mir, wie bei einigen anderen auch, "Der Aufschub" vorne, weil mir die positive, liebenswerte, dezentere Art besser gefällt.

    Ciao
    Martin

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