Der große Indien-Schwindel

[Simulacrum]

@Simulacrum

Meerschweinchen zu essen ist m. W. keine rein historische Begebenheit. Falls du das andeuten wolltest.

Das bezog sich auf Gimlis Frage, warum die Meerschweinchen im Comic keiner mochte (außer am Spieß). Und der Grund ist, wie von Raro u. Orwell f.H. (früher Huxley) geschrieben, dass es sich bei den von den Indios in ihren Hütten gehaltenen Meerschweinchen immer um "Cuys" und keine possierlichen Heimtierchen wie bei uns handelt: https://de.wikipedia.org/wiki/Cuy

Da diese nie richtig zahm werden und von eher schwächlicher Konstitution sind, werden sie auch nicht besonders alt und sterben auch bei Stress schnell an Herzversagen (steht nicht im Wikipedia-Eintrag).

Die Meersäue meiner Kindheit sind selbstverständlich alle einen natürlichen Heimtiertod gestorben und wurden standesgemäß im Garten meiner Eltern beigesetzt. Auf Streicheleinheiten ohne Futterbestechung hatten sie allerdings auch nie Lust, sondern haben es immer nur erduldet. Arme Kreaturen ...

[LaLe]

Deshalb das "Falls". Aber danke für die ausführliche Erklärung.

[Simulacrum]

Ich wollte sagen, dass alles, was im Comic als Lebenssituation der Bevölkerung gezeigt wird, immer historisch korrekt ist (und ich an dem Comic schätze). Und dazu gehörte auch, Meerschweinchen trotz Niedlichkeit und Knopfäuglein mitleidlos zu verspeisen.

Was hier mit seinem für Europäer starken niedlich-grausam-Kontrast selbstverständlich der Verdeutlichung des von Orwell f.H.s genannten Subtextes zu verstehen ist.

Pablos ist ein *********, aber manchmal kann man seine Motive auch verstehen.

[Karate Lothar]

Im Grunde wurde ja bereits alles zu diesem kleinen Geniestreich rund um Sein und Schein, Wirklichkeit und Trug, Wahrheit und Lug, gesagt und geschrieben. Von der opulenten Bildsprache voll von hintergründiger, gewitzter Intelligenz, bis hin zur kontextabhängigen Relationen zwischen dem rein geschriebenen und ebensolchen visuellen, graphischen „Text“ - Schein oder Meerschwein, voll von Harmonie oder doch leer an Divergenz, steht der Hocker jetzt eigentlich vor oder hinter hinter dem Schaf...

Da aber das Wesen des Scheins selbst in seiner Negation - insbesondere einer schelmischen :D - nicht nur ein allgemein bestimmtes, sondern in jener Transzendenz reflexives, gar ein explizites oder konkretes Sein bzw. Nichtsein für sich beansprucht, ist „Der große Indien-Schwindel“ auch mehr als „nur“ der raffiniert erzählte, virtuos bebilderte Schelmenroman, der er oberflächlich betrachtet möglicherweise zu sein scheint.

Nämlich sowohl Parabel als auch Abgesang auf eines der ältesten Motive, welches die Menschheit seit ihrer Anbeginn nicht nur an-, sondern auch vorantreibt – das Streben nach Reichtum, Macht und Ruhm, in all seinen erfinderischen Auswüchsen auf der einen Seite und all seiner Blauäugigkeit andererseits. Völlig zeitlos, gleichzeitig jedoch aktueller denn je - immer und überall ...

Und wenn der Schwindler nicht gestorben ist, ja dann fickt, äh Pardon, unterwandert er noch heutzutage Großkonzerne, schmiert Politiker, manipuliert Börsenkurse, verpfeifft Fußballspiele und erzählt Märchen in der Tagesschau...Wirklich. Echt jetzt. Ungelogen, beim heiligen Don Pablos aus Segovia. Gaaanz knappe 9/10

So jetzt aber ernsthaft:
[...]
666)Und nun zu den kleinen Kritikpunkten: Es ist mir an manchen Stellen einfach etwas zu viel. Zu viel der Grimassen (da sind wir wieder bei der Vorstellungskraft des Lesers), zu viel der Übertreibung am Ende (das hätte es so nicht gebraucht), zu viel der Extratricks (ja die Nase) und zu viel das Aquarells (zB die Berghänge aus Grün und Grau verschwimmen in den Konturen).

Naja, ohne diesen „ausgefeilten Nasentrick“ wäre der Schwindel möglicherweise bereits an dessen Nasenspitze angesehen und somit auch erkannt worden. Bin ja schon froh, dass sich der Schelm nicht noch künstlich hat die Beine verlängern lassen. War mir persönlich dann aber auch alles ein bisschen zuviel des guten – wenn auch von den Machern genauso beabsichtigt und gewollt...

[Orwell]

Das war mal ein knallhart gezielter Handkantenschlag zum großen Indien-Schwindel. So muss Kritik und Rezi sein. Mir fehlen leider in letzter Zeit immer öfters die Worte...

[Comic_Republic]

Ja, Karate Lothar hat's drauf!

C_R

[frnck1960]

Naja, ohne diesen „ausgefeilten Nasentrick“ wäre der Schwindel möglicherweise bereits an dessen Nasenspitze angesehen und somit auch erkannt worden. Bin ja schon froh, dass sich der Schelm nicht noch künstlich hat die Beine verlängern lassen. War mir persönlich dann aber auch alles ein bisschen zuviel des guten – wenn auch von den Machern genauso beabsichtigt und gewollt...

Es kann niemals zu viel im Guten geben (zumindest was den künstlerischen Bereich betrifft). Übertreibung ist ein Stilmittel, das erst so richtig Spaß macht, wenn es bis zum sprichwörtlichen Erbrechen ausgewalzt wird.
Sei es der Wundertrunk von Don Quijote, der trotz bekannter abführender Wirkung, zum x-ten mal in der Hoffnung eingesetzt wird, auf dass er nun doch endlich "Wunder" wirkt.
Sei es der Ohrensessel in den Thomas Bernhard den geneigten Leser mit aller Gewalt hineindrückt.
Oder sei es auch Holden Caulfield, der immer und immer wieder nach dem gleichen Muster über die "phony" Erwachsenenwelt schwadroniert
https://www.youtube.com/watch?v=OqjEGI2jk2A

[robert 3000]

ich habe den Band jetzt auch am Stück gelesen.

Die ersten 80 Seiten waren eigentlich genau meins. Abenteuer, Suche nach Eldorado, Kämpfe usw. Dann wurde es etwas schlechter für meinen Geschmack. Der 3te Akt ist dann nicht mehr so mein bevorzugtes Gebiet. Intrigen, etwas undurchschaubar. Der Epilog ist mMn sogar etwas zuviel des Guten.

Was mich etwas gestört hat war, dass der Band für mich beim Lesen keine Überraschungen bot. Beim ersten kleinen Bild des Protagonisten in seiner "endgültigen Position" wars eigentlich klar wie die Story ausgehen wird.

Manche Erklärungen waren dann doch schon etwas an den Haaren herbeigezogen.

Zum Schluss kam mir noch ein Gedanke:

->Spoiler öffnen<-

Was wäre, wenn die Geschichte nicht vom Bettler erzählt wurde, sondern vom König selbst (also vom richtigen) der sich ob der Langeweile eine 2te Identität ausdachte.

Ich schwanke bei meiner Bewertung für mich zwischen 4 bis 4,5 Sterne von 5.

[Simulacrum]

Was mich etwas gestört hat war, dass der Band für mich beim Lesen keine Überraschungen bot. Beim ersten kleinen Bild des Protagonisten in seiner "endgültigen Position" wars eigentlich klar wie die Story ausgehen wird.

Du warst aber schon leicht gespoilert, oder? Ich hatte den im Sommer gelesen und wusste nicht, dass ich überhaupt auf etwas in der Richtung achten musste und war dann überrascht. Zumal man ja auch noch über chronologische Abläufe getäuscht wird.

Zum Schluss kam mir noch ein Gedanke:

->Spoiler öffnen<-

Was wäre, wenn die Geschichte nicht vom Bettler erzählt wurde, sondern vom König selbst (also vom richtigen) der sich ob der Langeweile eine 2te Identität ausdachte.

Konterkariert dann den typischen Schelmenroman etwas, der ja immer in Ich-Form aus Sicht eines Unterprivilegierten erzählt wird s. # 137. Ich glaube, so ein böswilliger Schelm wollte Szenarist Ayroles dann doch nicht sein. Aber über diesen Comic kann man sich viele Gedanken machen.

[Menschenspötter]

Sollte der Schelm am Hochstapler-Syndrom leiden, hat er sowieso ein Problem. Menschen wollen Wahrheiten oft sowieso nicht erfahren, sondern leben lieber mit ihren Lügen im Schwindel.
Wird das Dilemma schonungslos aufgedeckt, kann es mit Bespuckungen enden. Von links und von rechts. Zeigt uns das Szenario ja auch.

[jellyman71]

Der Schelm riesengroß und unverkäuflich in Öl mit Mona Lisa Effekt. Egal wo man steht, Pablos hat einen stets im Blick!

https://abload.de/img/15614ac5-d968-4622-ajmjg7.jpeg

Er kann’s links wie rechts...

https://abload.de/img/cde77bf2-e46c-4085-8w9kig.jpeg

Die Originale jeweils seitlich waren schon groß, aber das Cover Öl Gemälde einfach nur gigantisch.
Wunderbar anzuschauen.

[jellyman71]

Noch 2-3 Sonderanfertigungen:

https://abload.de/img/9aab4457-869e-4bab-95uk0r.jpeg

https://abload.de/img/32e87c59-94fe-4fe0-803ksa.jpeg

Man entschuldige die spiegelei. Es war in dem
Fall nicht anders in den Griff zu bekommen.

https://abload.de/img/67062b10-854c-4465-b45ka7.jpeg

[Comic_Republic]

Der Schelm riesengroß und unverkäuflich in Öl mit Mona Lisa Effekt. Egal wo man steht, Pablos hat einen stets im Blick!

https://abload.de/img/15614ac5-d968-4622-ajmjg7.jpeg

Er kann’s links wie rechts...

https://abload.de/img/cde77bf2-e46c-4085-8w9kig.jpeg

Die Originale jeweils seitlich waren schon groß, aber das Cover Öl Gemälde einfach nur gigantisch.
Wunderbar anzuschauen.

HAMMER! Ja, wenn das Gesicht in die eine Richtung schaut und die Augen in die andere... Unheimlich und trotzdem so klasse!
Hängt bestimmt jetzt beim Jellyman übern Kamin in Davos!

C_R

[Menschenspötter]

@jellyman71
Ein Dankeschön für die Galerieeinblicke. Hat mir den Sonntagmorgen versüsst. Ich mag ja diese gezeichneten Tiere mit Seele in ihren Blicken. Das verschmitzte und pfiffige Äffchen, das wollige und arrogante Lama, das unbedarfte und schnuckelige Meerschweinchen...

[jellyman71]

Hab noch einiges im Gepäck.
Reiseberichte rund um das Thema und oder interessante Comicshop Besuche mit Bilddokumentation könnten vielleicht bei Allgemeine Themen ein Platz finden.
Ist finde ich auch immer wieder spannend in dem Fach Magazinen.
Bericht aus...

[Karate Lothar]

Es kann niemals zu viel im Guten geben (zumindest was den künstlerischen Bereich betrifft). Übertreibung ist ein Stilmittel, das erst so richtig Spaß macht, wenn es bis zum sprichwörtlichen Erbrechen ausgewalzt wird.
Sei es der Wundertrunk von Don Quijote, der trotz bekannter abführender Wirkung, zum x-ten mal in der Hoffnung eingesetzt wird, auf dass er nun doch endlich "Wunder" wirkt.
Sei es der Ohrensessel in den Thomas Bernhard den geneigten Leser mit aller Gewalt hineindrückt.
Oder sei es auch Holden Caulfield, der immer und immer wieder nach dem gleichen Muster über die "phony" Erwachsenenwelt schwadroniert
https://www.youtube.com/watch?v=OqjEGI2jk2A

Sofern du darauf hinaus möchtest, dass es nie zu viel an „guten“ Einzelkomponenten geben kann, solange deren Summe, also das Endergebnis, ein „Gutes“ ist, dürftest du damit recht behalten – gar keine Frage.

Doch irgendwann beginnt eben auch dieses zu kippen, ist ein jeder Zenit erreicht, ein Abschluss mehr als überfällig...

Fängt ja schon bei einer vordergründig simplen Zeichnung an – hier noch zusätzliche Details, ein paar Feinheiten dort, da noch diverse Ausbesserungen, Überarbeitungen, Korrekturen und, und, und...

Irgendwann ist ein „Bild“ halt einfach überfrachtet, schlichtweg überzeichnet, und der Blick fürs Wesentliche längst verloren...

Zudem ist es halt auch ein Unterschied ob eine einzelne „Übertreibung“ rein gefühlsmäßig zu übertrieben rüberkommt oder ob das von dir erwähnte Stilmittel der Übertreibung einfach zu häufig und inflationär eingesetzt wird – schon mal zwei völlig unterschiedliche Punkte. Und dann gibt es auch noch „diese“ (immer)wiederkehrende, auf die Spitze getriebene, Wiederholung des „Ähnlichen“- Stichwort Running Gag.

Irgendwie schmeißt du jedoch all dies kreuz und quer durcheinander, insbesondere in deinen verlinkten Beispielen – da weiß man ja am Ende schon gar nicht mehr auf was du zu Beginn deines Beitrages überhaupt genau hinaus wolltest.

Daswar mal ein knallhart gezielter Handkantenschlag zum großen Indien-Schwindel.So muss Kritik und Rezi sein..

Ja,Karate Lothar hat's drauf!C_R

Ironie / Sarkasmus bitte auch als solche(n) kennzeichnen – Danke.


:D ;-)

[Gagel]

Als einziges Album aus dem Splitter Verlag ist "Der große Indienschwindel" für den Max- und Moritz Publikumspreis nominiert worden.
Hier geht es zur Abstimmung:
https://www.comicforum.de/showthread...20-%96-Runde-3

Jetzt aber!

[OK Boomer]

Dafür quasi das gesamte Jahresprogramm der Edition Moderne nominiert. Gewinnen wird aber eh lootboy oder ASH.

[yoorro]

Gerade vollzogen.

[Moonie]

Und abgestimmt!

Hatte den Band dieser Tage wieder in den Händen. Für mich immer noch ein absolutes Comicjuwel, danke dafür!

[CHOUETTE]

Da kam mein Voting echt von Herzen.

[Comic_Republic]

Was ein Rotz, der da teilweise nominiert ist... Meine Stimme hat der Indienschwindel bekommen!

[OK Boomer]

Nana, lieber C_R, alles ist subjektiv.

Indienschwindel ist wunderschön, aber mMn von Señor Guarnido, dem bewährten Augenschmeichler, besser gezeichnet als von Ayroles geschrieben. Ich finde Monsieur kann das besser (Mit Mantel und Degen, Garulfo). Meine Stimme ging an ein anderes Duo-Werk, komplett aus Fronkraisch.

[robert 3000]

Dieser Preis ist echt absurd

Ein Max und Moritz Publikumspreis wo ein Titel von 25 durch das Publikum nominiert wurde??
und die anderen 24?? - Von Experten?? super

[OK Boomer]

3 der 25 Titel wurden durch das (zu geschätzt 95% via Facebook und Instagram aktivierte) Publikum nominiert.

Der Indienschwindel wäre vermutlich wie die anderen 21 anderen Nominierten ohne Jury-Beteiligung nicht auf der Liste gelandet.

EDIT: Mein letzter Satz stimmt nicht. Würde die Liste nur aus 20 vom Publikum nominierten Comics bestehen, sähe sie so aus (und Der Indienschwindel wäre dann auch dabei): https://www.comicforum.de/showthread...=1#post5612311