User Tag List

Ergebnis 1 bis 17 von 17

Thema: Die Stadt und das Mädchen

  1. #1
    Mitglied Avatar von Thomas Nickel
    Registriert seit
    08.2006
    Beiträge
    112
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)

    Die Stadt und das Mädchen

    Letzte Woche gekauft, verschlungen und jetzt rezensiert: Die Stadt und das Mädchen von Jiro Taniguchi.

    Nachdem Taniguchi letztes Jahr schon mit "Der Wanderer im Eis" zumindest mich vollends überzeugen konnte legt sein aktuelles Werk noch einen drauf: Eine großartig gezeichnete, über 300 Seiten lange Graphic Novel die sich unter anderem mit der Halbwelt von Tokyos Stadtteil Shibuya beschäftigt und einen rauen Einsiedler mitten in diese künstliche Glitzerwelt wirft.

    Die Stadt und das Mädchen kostet zwar etwas mehr, aber dafür hat man auch etwas daran - den Manga sollte wirklich keiner verpassen.
    Ein ganz großes Danke, dass auch heute noch Mangas erscheinen die tatsächlich etwas zu erzählen haben, in denen es um etwas geht und die sich nicht damit begnügen, die gängigen Klischees abzufeiern.

    Meine ausführlichere Review inkl. Bilder gibts hier.
    Thomas Nickel

    g-wie-gorilla.de
    Reviews, Interviews, Gnökereien

    hdworld-mag.de

    HDworld - Das kostenlose PDF-Magazin für Filme, Games und Hardware

  2. #2
    Mitglied Avatar von cubbie
    Registriert seit
    01.2004
    Ort
    Frankfurt/Main
    Beiträge
    593
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Habe den Band gestern gelesen - es war unmöglich ihn aus der Hand zu legen ! Beeindruckend !!!

    Tolle, stimmige Story, zeichnerisch ohnehin ein Traum. Da ich Japan und speziell Tokyo selbst gut kenne, habe ich mich in diesem Manga regelrecht "hineingezogen" gefühlt, weil ganz einfach alles perfekt passt.

    Ein Werk der Extraklasse, dazu in einem Format in dem das Lesen wirklich Spaß macht. Kein Buch das man in 5 Minuten liest, aber eines das sich absolut lohnt.

  3. #3
    Mitglied Avatar von TigerRider
    Registriert seit
    06.2001
    Ort
    nördlich von Trier
    Beiträge
    2.777
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Blog-Einträge
    4
    Na denn cubbie, hab's bestellt...
    Gruß
    Jens

    zuletzt gelesen:

    CARTHAGO 5 (Story) 8/10 Zeichnung 8/10 = 8/10
    SPIROU Spez. "Das Licht von Borneo" Story 10/10 Zeichnung 10/10 = 10/10
    alle SCs "Theodor Pussel" Story 8/10 Zeichnung 7/10 = 7.5/10 Ist auch nach ein paar Jahren im Regal echt mal wieder lesenswert
    "Fünf Tage Sith" in: STAR WARS 120 (Panini) Story 10/10 Zeichnung 9/10 = 9.5/10


  4. #4
    Mitglied
    Registriert seit
    07.2000
    Ort
    Wild Wedding
    Beiträge
    8.590
    Mentioned
    23 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Blog-Einträge
    77
    Zitat Zitat von Thomas Nickel Beitrag anzeigen
    Die Stadt und das Mädchen kostet zwar etwas mehr, aber dafür hat man auch etwas daran - den Manga sollte wirklich keiner verpassen.[/URL]
    das solltest du vielleicht in einem manga-forum posten, statt hier, wo leser mit geschmack & geld unterwegs sind

    Bitte beachtet meinen neuen Verkaufsthread.
    Trinken mit der Linken, Fechten mit der Rechten.

  5. #5
    Mitglied Avatar von embe
    Registriert seit
    08.2004
    Beiträge
    626
    Mentioned
    2 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von FilthyAssistant Beitrag anzeigen
    das solltest du vielleicht in einem manga-forum posten, statt hier, wo leser mit geschmack & geld unterwegs sind

    na dann würd ich vorschlagen, dass du deine nächsten postings am besten im deutschoberlehrer und ignoranten-guten-geschmacks-forum auf die menschheit loslässt.

    merke: nicht alles, wo manga draufsteht, is müll! und das ist das s+l-forum.


  6. #6
    Mitglied Avatar von embe
    Registriert seit
    08.2004
    Beiträge
    626
    Mentioned
    2 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    bevor ich s vergesse: feiner band! sehr empfehlenswert!

  7. #7
    Mitglied
    Registriert seit
    07.2000
    Ort
    Wild Wedding
    Beiträge
    8.590
    Mentioned
    23 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Blog-Einträge
    77
    Zitat Zitat von embe Beitrag anzeigen
    na dann würd ich vorschlagen, dass du deine nächsten postings am besten im deutschoberlehrer und ignoranten-guten-geschmacks-forum auf die menschheit loslässt.


    den"" kann ich dir gern zurückgeben. hab ich mich ungeschickt ausgedrückt oder willst du mich falsch verstehen?

    ich wollte mitnichten dem hier besprochenen werk seine qualitäten absprechen und es als "manga-müll" deklassieren.
    ich meinte lediglich, wenn wir hier einen herausragend guten manga haben - der aber leider nicht in einem der "üblichen" mangaverlage erscheint - sollte darüber, NEBEN der gutbetuchten schreiber&leser-klientel, auch der "typische" mangaleser informiert werden. da der aber nicht im S&L-forum unterwegs ist, muss der prophet eben zum berg gehen, in diesem fall also die positive rezension in einem mangaforum untergebracht werden.

    schön, dass man immer noch mit ein paar kryptisch formulierten sätzen sofort jemandem auf den schlips treten kann
    Bitte beachtet meinen neuen Verkaufsthread.
    Trinken mit der Linken, Fechten mit der Rechten.

  8. #8
    Mitglied Avatar von embe
    Registriert seit
    08.2004
    Beiträge
    626
    Mentioned
    2 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von FilthyAssistant Beitrag anzeigen

    aua!


    jo, sorry, hab dich falsch verstanden. demnächste bitte weniger kryptonit in deinen worten und auch bei mir schnackelts.

    schuldischung!

  9. #9
    Mitglied
    Registriert seit
    05.2001
    Ort
    D 51503 Rösrath
    Beiträge
    7.477
    Mentioned
    3 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Ich habe Filthy Asiistant richtig verstanden. Und dieser Titel ist der stärkste im Programm von S&L. Ich bin davon angetan, dass hier jemand einfach gute Titel, Sachen an denen dem Verleger vermutlich auch selber viel liegt, bringt, und das quer durch alles Genres.

  10. #10
    Mitglied
    Registriert seit
    11.2003
    Beiträge
    245
    Mentioned
    4 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Klingt sehr interessant nur ist es für meinen Geldbeutel doch zu teuer. Müsste ich warten bis ich einen "schwachen Comicmonat" habe um den Titel noch unterzuquetschen.

  11. #11
    Mitglied Avatar von Huckybear
    Registriert seit
    02.2001
    Ort
    Höhle Plomb du Chanta
    Beiträge
    10.781
    Mentioned
    27 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Zitat Zitat von cubbie Beitrag anzeigen
    Habe den Band gestern gelesen - es war unmöglich ihn aus der Hand zu legen ! Beeindruckend !!!

    Tolle, stimmige Story, zeichnerisch ohnehin ein Traum. Da ich Japan und speziell Tokyo selbst gut kenne, habe ich mich in diesem Manga regelrecht "hineingezogen" gefühlt, weil ganz einfach alles perfekt passt.

    Ein Werk der Extraklasse, dazu in einem Format in dem das Lesen wirklich Spaß macht. Kein Buch das man in 5 Minuten liest, aber eines das sich absolut lohnt.

    Kann die Begeisterung von cubbie nur bestätigen.

    Mit das beste was ich seit sehr,sehr langer Zeit gelesen habe.
    Die Story ist wohltuend langsam und sorgfältig aufeinander aufgebaut.
    Der Leser kann sich sehr gut in die Haut des Einsiedlers Shiga hineinfühlen und Ihn auf seiner verzeifelten Suche in der anonymen und kalten Großstadt begleiten.
    Die detailierten und sauberen Zeichnungen sind dazu ein wahrer Augenschmaus.
    Story und Zeichnungen ergeben somit einen Storyboard ähnlichen Comic(film) der Extraklasse.
    Kurz : ein Meisterwerk, sehr empfehlenswert !


    Wer hier bloss über Comic`s oder Manga`s sprechen kann, ist selber schuld.

  12. #12
    Moderator Anime- und Mangaforum Avatar von Meister Yupa
    Registriert seit
    05.2000
    Ort
    28327 Bremen
    Beiträge
    13.473
    Mentioned
    399 Post(s)
    Tagged
    1 Thread(s)
    Ich muss sagen, dass ich den Manga nicht ganz so gut finde. Ich finde, daß Taniguchis Stärken in dem Zeichnen der Natur zu finden sind. Und das wird in Die Stadt und das Mädchen etwas unterdrückt. Ausserdem finde ich es etwas aufgesetzt, dass

    Shiga als Berufsbergsteiger in der Stadt ausgerechnet auf seine Fähigkeiten zurückgreifen muss.



    (Dennoch finde ich diesen Manga besser als viele andere Mangas.)

  13. #13
    Mitglied Avatar von TigerRider
    Registriert seit
    06.2001
    Ort
    nördlich von Trier
    Beiträge
    2.777
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Blog-Einträge
    4
    Danke cubbie!

    Hab ihn eben gelesen und bin begeistert.

    Da sieht man, was es manchmal bringt den "Rezensenten" zu kennen... ;-)

    Zum Aufwärmen hab ich übrigens "Der Wanderer im Eis" gelesen, da kommt die von Alita angesprochene Stärke des Zeichners wirklich mehr zur Geltung. Ich habe diese Stärke jedoch bei der Lektüre von " Die Stadt..." nicht vermisst oder so. Und die Handlung, tja... fand ich am Schluss spannend und irgendwie plausibel, nicht so wie Alita verspoilert hat. Aber das wirkt wahrscheinlich auf jeden etwas anders...

    Ich freue mich schon auf die nächsten Werke vom Künstler!
    Geändert von TigerRider (18.07.2007 um 22:03 Uhr)
    Gruß
    Jens

    zuletzt gelesen:

    CARTHAGO 5 (Story) 8/10 Zeichnung 8/10 = 8/10
    SPIROU Spez. "Das Licht von Borneo" Story 10/10 Zeichnung 10/10 = 10/10
    alle SCs "Theodor Pussel" Story 8/10 Zeichnung 7/10 = 7.5/10 Ist auch nach ein paar Jahren im Regal echt mal wieder lesenswert
    "Fünf Tage Sith" in: STAR WARS 120 (Panini) Story 10/10 Zeichnung 9/10 = 9.5/10


  14. #14
    Mitglied
    Registriert seit
    10.2004
    Ort
    im Süden der Republik
    Beiträge
    88
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)

    Tradition und Moderne - eine Interpretation zu Taniguchi

    In der Tat ist das kein fast-food.

    Ein paar Interpretationsansätze von meiner Seite:

    Die Geschichte lässt sich m.E. locker angebunden an die *Japan-Diskurse* sehen: In Japan gibt es eine Reihe von Schriften, in denen über das Japanisch-Sein nachgedacht wird, das Typische Japans zu begreifen versucht wird und dabei auch eine intensive Auseinandersetzung mit *sakai*, der unter westlichem Einfluss entstandenen japanischen Moderne, nachgedacht wird. Lesenswert dazu etwa das Buch von Kimura Bin (gibts auf Deutsch) oder die soziologische Studie über Japan von Yoshio Sugimoto (in Englisch, die Titel gebe ich hier nicht wieder, sonst wird das vielleicht als Werbung ausgelegt).

    Shiga ist *kein moderner Mensch*, wie ihm gesagt wird. Er lebt in der Natur und mit dieser verbunden und er nimmt *giri*, Verpflichtung, äußerst wichtig. Damit repräsentiert er eher das traditionelle Japan, ganz im Sinn der Japandiskurse: Vollwertig Mensch wird man durch Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und über die damit gegebenen, vielfältigen wechselseitigen Beziehungen und Verpflichtungen. Gegenübergestellt ist die Moderne in Gestalt der Großstadt: Diese ist gerade das Gegenteil der traditionalen Bindung, lebt eher von der Vorstellung des losgelösten Individuums, das seiner eigenen Subjektivität verpflichtet ist.

    Das hat eine Verwandtschaft mit europäischer Kulturkritik: Im 19. Jahrhundert wird hierzulande (etwa von dem Soziologen Ferdinand Tönnies) der Topos der Entgegensetzung von Land/Kleinstadt als Hort der *gesunden*, naturnahen und traditionellen Lebensweisen und *Kultur* (meist als *Volkskultur*) gegenüber der Großstadt als exemplarischer Ort der technisch-ökonomischen modernen *Zivilisation* entwickelt. Auch in Japan gibt es Kulturkritik dieser Art, doch erscheint die Großstadt darin weniger als Paradigma der ökonomisch-technische Moderne, sondern mehr als die Sphäre, in der die vom Westen seit der *Öffnung* Japans aufgezwungene westliche Moderne mit ihrer Vorstellung von Individualisierung und Bindungslosigkeit greifbar ist. Daher geht es für Taniguchi ebenfalls weniger um Wirtschaft und Technik, sondern um die Veränderung der Beziehungen der Menschen zueinander: Sie leben nicht mehr aus ihren traditionalen Clanbindungen (bzw. bei den Mädchen aus der Familie und deren Werten und Beziehungen), sondern grenzen sich ab und werden ortlos, verlieren ihren Halt.

    Der Weg könnte für die jungen JapanerInnen nun freilich sein, sich affirmativ er westlichen Moderne anzuschließen, also sich zu individualisieren, individuelle Subjekte zu werden, die einen inneren, subjektbezogenen Wertekanon ausbilden und ihrem Leben zugrundelegen. (Die Filme von Akira Kurosawa thematisieren u.a. genau diese Lösung - auch kritisch.) Doch funktioniert diese Transformation der japanischen Identität offenbar nicht. Daher suchen die Menschen sozusagen tapsig und unsicher, wie im Dunkeln tastend, alternative Wege.

    Mit der Figur Yoshio wird deutlich, worum es dabei geht: Letztlich wollen die Mädchen wieder zu einer Gemeinschaft gehören (also sich nicht individualisieren). Die traditionelle Gemeinschaft haben sie verlassen bzw. verloren (da spielt nun doch auch die Ökonomie eine Rolle: Sie fühlen sich - wie Maki - von der traditionalen Gemeinschaft verlassen bzw. finden diese nicht mehr, weil die Eltern nur noch arbeiten und von den marktwirtschaftlichen Verhältnissen aufgesogen sind; so bleibt ihnen nur, nach westlichem Muster der Ablösung von der älteren Generation ihren *eigenen Weg* zu suchen, obwohl sie für dieses Muster der Individualisierung keine sozialen Vorgaben in Form von kollektiven Interpretationsmustern wie etwa dem sog. *Generationenkonflikt* und der *Selbstwerdung* oder *Individuation* haben). Anstelle der traditionalen Gemeinschaft suchen sie nun eine neue - und Yoshio bietet diese mit seinem Album, in dem alle verzeichnet sind, ihre Texte schreiben können und durch ein Bild als Mensch greifbar werden. Yoshio verkörpert so gewissermaßen die durch den Moloch der westlichen Moderne gegangene neue Gemeinschaftsform, verbindet gewissermaßen die alten mit den neuen Werten.

    Im Unterschied dazu lebt Shiga die alten Werte der Verpflichtung und einer Identität aus Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Er macht dabei allerdings auch selbst einen Weg durch: Nachdem er sich von der Gemeinschaft ein Stück weit abgeschlossen hat - aufgrund von Schuldvorwürfen, sein *giri* gegenüber Sakamoto nicht eingehalten zu haben -, findet er in der Verpflichtung gegenüber Megumi und ihrer Mutter wieder zu einer Möglichkeit zurück, diese alten Werte zu realisieren und damit selbst wieder *ganz* im Sinn einer solchen Zugehörigkeit zu werden. Sein Leben und Dasein erhält wieder eine Verankerung in der sozialen Welt und er erlebt auf diese Weise eine Art Auferstehung als sozial über Verpflichtungen definierte Person.

    Ohne es überinterpretieren zu wollen, kann man in den Panels, die so etwas wie Covers der Kapitel sind, diesen Weg Shigas verkörperrt sehen: Es beginnt mit den Bergen, die *alles* sind, daher auch keinen Panelrand haben. Aber Shiga sieht nicht glücklich aus, obwohl er hier ganz in dieses doppelseitige Superpanel integriert ist. Die Natur ist da und er ist in sie eingebettet, doch fehlt ihm etwas. Beim 2. Kapitel steht Shiga nun vor dem Hintergrund der Stadt. Aber er steht noch außerhalb des Panels, die Stadt ist in einem umrandeten Panel zu sehen, das wie ein Hintergrundbild von Shiga getrennt ist. Er blickt auch nicht in dessen Richtung. Im 3. Kapitel ist er in die Stadt eingetaucht. Das Panel hat einen Rand, Shiga ist im Panel. Nun beginnt seine Auseinandersetzung mit der Stadt und über diese auch allmählich in den folgenden Kapiteln mit sich und seiner Geschichte. Im Unterschied zu den anderen Menschen aber ist er allein - es ist abgrenzender Raum zwischen ihm und den Gruppen und Passanten, die allesamt näher beieinander stehen als er zu ihnen. Er gehört nicht dazu und hat seinen Ort noch nicht gefunden.

    Kapitel 4 zeigt ihn halbnah mit Blick zum/r LeserIn, die Stadt ist im Hintergrund und es ist Nacht. Hier beginnt nun die Auseinandersetzung Shigas mit sich intensiver zu werden, daher ist er im Zentrum des Panels und dessen Hauptinhalt. Bezeichnenderweise taucht nun Yoshio auf, der ein Katapysator in beide Richtungen ist - er ist nicht nur der soziale Fixpunkt für die Mädchen, sondern schließt nun auch Shiga an deren sozialen Kosmos an. Erst als es diese Beziehung zu einem sozialen Kosmos wieder gibt, kann Shiga nun über die anderen, v.a. Yoshio, auch etwas erreichen. Seine Bemühungen allein, als sozusagen bloßes Subjekt, waren zum Scheitern verurteilt. Erst in diesem Kapitel nimmt Shiga zudem Kontakt mit Yoshida vom Kletterverein auf und damit zugleich zu seiner eigenen sozialen Bezugsgruppe der Bergsteiger und ebenso zu seiner Vergangenheit in dieser und seiner Beziehung zu Megumis Vater.

    Im Kapitel 5 kann Shiga daher jetzt zumindest vom Betrachter weg in den Seitenbereich des Panels blicken - zur Stadt wird er nie gehören, aber immerhin hat er jetzt eine Beziehung zu deren sozialem Kosmos und zugleich wieder zu seiner eigenen Bezugsgruppe. Daher kann er jetzt auch eine andere, produktivere Beziehung zu Maki suchen. Nun wechselt das Coverpanel der Kapitel das Figurenpersonal: Kapitel 6 zeigt Maki, mit der nun allmählich ebenfalls eine Veränderung vorgeht und vorgehen kann. Möglich wird das, weil auch sie nun über Shiga wieder Kontakt mit dem traditionalen Werteset der japanischen Gesellschaft bekommt: Shigas Einstehen für Megumi bringt bei ihr etwas in Bewegung, zugleich findet sie mit Shiga und Megumis Mutter Kontakt zur älteren Generation und den hier eigentlich gebotenen Bezügen. Umgekehrt setzt das nun Reflexion bei Megumis Mutter in Gang: Das Schicksal der Jüngeren in der Moderne wird deutlich und verstehbar für die ältere Generation, zugleich erkennt die Mutter ihre eigenen modernitätstypischen Defizite (sie arbeitet zuviel und mutet sich zuviel zu). Am Ende gesteht Maki ihre eigene Sehnsucht ein, die letztlich die traditionalen Verpflichtungsverhältnisse betrifft: Sie möchte, *dass jemand nach ihr sucht*. Auch sie will so zu einem traditionalen sozialen Kosmos gehören, wie Megumi.

    Jetzt kann mit Kapitel 7 die Wende eingeleitet werden. Shiga steht jetzt souverän in der Stadt, denn er hat seine sozialen Bezüge (wieder) gefunden - daher isr er in das Stadtpanel integriert und zugleich in leichter Untersicht gezeigt, also heroisch. Mit Kapitel 8 können entsprechend die Dinge ins Rollen gebracht werden: Der Gegener wird identifiziert und Shiga kann im Coverpanel des Kapitels selbst vorärts gehen, erscheint in Totale und tritt aus dem Panel heraus: Die Stadt ist innerlich als Herausforderung durchschritten, die Position zur Moderne sozusagen gefunden und damit hat er sich auch selbst gefunden, so dass ihn die Stadt nicht mehr einschließt. Es folgt das retardierende Moment - Shiga steht scheinbar vor der Wand. Hier geht es in Kapitel 9 nun um ihn und seine Optionen, daher sehen wir sein Gesicht, das aber nicht zu uns blickt, sondern in Reflexion versunken scheint. Diesem Selbstbezug der Reflexion entspricht es, dass es keinen Hintergrund gibt - Shiga ist mit sich allein.

    Ihm gegenüber steht seine letzte innere Herausforderung, das Panel von Kapitel 10 zeigt das Gebäude seines Gegners, betitelt sich aber anders und macht deutlich, dass das Gebäude nur für etwas anderes steht: Eben Shigas eigene Herausforderung, die aber in seiner Vergangenheit und dem Bezug zu seinem verunglückten Freund besteht. Nachdem er den sozialen Bezug zu seiner Bergsteigergruppe wieder angenommen hat und damit auch seine Vergangenheit, muss er jetzt diese Vergangenheit bewältigen. Typisch japanisch kann er das nicht allein, daher treten ihm in Kapitel 11 seine Freunde zur Seite. *Giri* - Verpflichtung - macht den Menschen erst zum Menschen, und die Freunde bejahen und bestätigen durch ihr Verhalten den traditionellen Wertekanon Japans. Das Kapitelcoverpanel zeigt zwar wieder Shiga, doch sein Blick scheint nach Unterstützung zu rufen. Die leichte Aufsicht unterstützt den Eindruck von Hilfsbedürftigkeit. Kapitel 12 bietet freilich wieder die Herausforderung, die er selber bestehen muss, daher sehen wir ihn allein ander Wand. Kapitel 13 zeigt dann, was Alleinsein bedeutet: Man rutscht ab. Aber die Erzählung verdeutlicht, dass Shiga nicht allein ist - seine Freunde stehen zu ihm und sogar die Polizei ist im Hintergrund bereit und unterstützt ihn mittelbar. Die Lösung der Geschichte ist daher nicht wirklich die Tat eines Einzelnen, sondern diese wird als erfolgreiche erst möglich, wenn sie in einen sozialen Kosmos eingebettet ist und Unterstützung hat.

    Dennoch ist die Lösung auch selbst wie eine Verbindung von Tradition und Moderne zu interpretieren: Shiga muss auch ein Stück weit Subjekt werden, individuell handeln, um zum Ziel zu gelangen. Er kann dies jedoch nicht losgelöst von den sozialen Beziehungen tun und kommt erst da zum Erfolg, wo er dem Rechnung trägt und die kollektive Rückbindung sucht und einbezieht. Entsprechend ist es vor allem die Tradition, die von der Geschichte ins Recht gesetzt wird: Am Ende stehen das Bild der Berge und der Text, der die Verpflichtungsdimension verdeutlicht.

    Das war nun mehr Text, als ich schreiben wollte - vielleicht ist es aber auch so eine Leseempfehlung gerade für Nicht-Manga-Comicfreunde...

    Schöne Grüße
    Dr.Tom

  15. #15
    Junior Mitglied Avatar von sophmel
    Registriert seit
    04.2008
    Ort
    Berlin
    Beiträge
    7
    Mentioned
    0 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)

    Thumbs up

    Zitat Zitat von cubbie Beitrag anzeigen
    Habe den Band gestern gelesen - es war unmöglich ihn aus der Hand zu legen ! Beeindruckend !!!

    Tolle, stimmige Story, zeichnerisch ohnehin ein Traum. Da ich Japan und speziell Tokyo selbst gut kenne, habe ich mich in diesem Manga regelrecht "hineingezogen" gefühlt, weil ganz einfach alles perfekt passt.

    Ein Werk der Extraklasse, dazu in einem Format in dem das Lesen wirklich Spaß macht. Kein Buch das man in 5 Minuten liest, aber eines das sich absolut lohnt.
    Seh ich auch so. Man fühlt sich einfach mittendrin und das Ende ist wirklich eine Klasse für sich. Die Zeichungen sind zwar finde ich nichts "außergewöhnliches", dafür aber passend und sie reichen, um die Geschichte voranzutreiben. Auf jedenfall einer der besten Mangas, die ich in letzter Zeit gelesen habe.

  16. #16
    Mitglied Avatar von God_W.
    Registriert seit
    10.2018
    Ort
    Nahe Aschaffenburg
    Beiträge
    6.075
    Mentioned
    305 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Wieder ein ganz tolles, einfühlsames, aber auch enorm spannendes Werk von Meister Taniguchi. Dazu erneut ein hervorragendes Artwork, welches mich wieder vollends begeistern konnte. Meine ausführliche Meinung zu der schönen VÖ hab ich wie immer im PF verankert:

    Die Stadt und das Mädchen:
    https://www.paniniforum.de/index.php...55#post2065755

    VG, God_W.

  17. #17
    Mitglied Avatar von God_W.
    Registriert seit
    10.2018
    Ort
    Nahe Aschaffenburg
    Beiträge
    6.075
    Mentioned
    305 Post(s)
    Tagged
    0 Thread(s)
    Ein weiteres Werk vom “westlichsten“ aller Mangaka…



    Titel: Die Stadt und das Mädchen

    Verlag: Schreiber & Leser (JP: Shueisha)

    Format: 336 Seiten im Paperback mit Klappenbroschur (S/W)

    Inhalt: Sōsakusha

    Autoren: Jirō Taniguchi

    Zeichner: Jirō Taniguchi

    Klappentext bzw. Angaben des Verlags:
    Als die vierzehnjährige Megumi eines Tages nach der Schule nicht nach Haus kommt, wendet sich ihre allein erziehende Mutter an Shiga, den besten Freund und Bergkameraden ihres verstorbenen Mannes. Shiga verlässt sofort seine Hütte im Hochgebirge und fährt nach Tokio, um das Mädchen zu suchen.

    Für den naturverbundenen Einsiedler Shiga ist die moderne Großstadt ein Dschungel eigener Art. Und auch das Gewirr aus Erinnerungen an den toten Freund, aus Gefühlen für Megumi und ihre Mutter Yoriko verunsichert ihn. Doch mit der ihm eigenen Geradlinigkeit und Beharrlichkeit gelingt es Shiga, die skandalösen und kriminellen Zusammenhänge um Megumis Verschwinden aufzudecken.



    Just my 2 cents:
    Jiro Taniguchi gilt gemeinhin als der Mangaka, der sich am meisten von westlichen Comics, allen voran Franko-Belgiern inspirieren ließ, und so kommt es vielleicht auch, dass sein Stil etwas in diese Richtung tendiert und es uns sehr einfach macht Zugang zu seinen Werken zu finden. Ich kann also jedem, der sich mal an einem Manga versuchen möchte nur ans Herz legen einen Blick auf einen Taniguchi zu werfen. Ich persönlich hab das ja vor einiger Zeit mit Gipfel der Götter getan und war von dem fünfteiligen Werk dermaßen beeindruckt, berührt und begeistert, dass schnell klar war, dass ich Weiteres von Taniguchi lesen möchte. In letzter Zeit habe ich mir auch schon ein paar der von ihm geschaffenen Werke besorgt, allerdings stand Die Stadt und das Mädchen eigentlich nicht sonderlich weit oben auf der Liste. Aber unverhofft kommt oft und der Band fiel mir vor Kurzem nahezu per Zufall in die Hände. Da so ein abgeschlossener Einzelband ja auch mal etwas für sich hat habe ich mich dann auch direkt drauf gestürzt.

    Shiga, ein ruhiger, etwas zurückgezogen lebender ehemaliger Bergsteiger betreibt im südlichen Hochgebirge Japans eine Art Almhütte und führt ein einfaches Leben, mit dem er aber vollends zufrieden ist. Durcheinandergebracht wird die Idylle eines Nachmittags, als das Telefon klingelt und sich Yoriko mit einer verzweifelten Bitte an ihn wendet. Yoriko ist die Witwe von Shigas bestem Freund, der vor zwölf Jahren im Himalaya den Tod fand. Shiga macht sich noch immer schwere Vorwürfe, dass er es seinem Freund damals abgeschlagen hat ihn auf der Tour zu begleiten und gibt sich selbst eine Teilschuld an dessen Tod. Als später die letzten Aufzeichnungen Tatsuhikos gefunden werden bittet er ihn auf den letzten Seiten, die er zu Lebzeiten verfassen konnte darum sich um seine Frau und seine Tochter zu kümmern.

    Als die schwer gebeutelte Yoriko jetzt bei Shiga anruft und ihm mitteilt, dass die vierzehnjährige Megumi nicht von der Schule nach Hause gekommen ist und auch ihre Freundinnen nicht wissen, wo sie sich aufhalten könnte sieht sich Shiga selbstverständlich in der Pflicht alles in seiner Macht stehende zu tun um seine Schutzbefohlene wieder zurück nach Hause zu bringen. Umgehend steigt er in den nächsten Zug gen Tokio. Dort muss er feststellen, dass Megumis Mutter keinerlei Anhaltspunkte über den Verbleib ihrer Tochter zu haben scheint und auch die Polizei ist wohl keine große Hilfe. Also ermittelt Shiga auf eigene Faust, zuerst an Megumis Schule und dann inmitten des Großstadt-Dschungels von Tokio. Für den kernigen, etwas raubeinigen Naturburschen stellt die Metropole selbst schon eine Herausforderung der ganz besonderen Art dar.

    Durch seine unorthodoxen Methoden kommt Shiga überraschenderweise sogar zügig vorwärts, erfährt allerlei rätselhafte Details über Megumis Leben und als er Schicht um Schicht des Rätsels entblättert wird deutlich, dass die Kleine zum einen nicht ganz so unschuldig ist wie zuerst gedacht, andererseits aber auch in viel Schlimmeres verwickelt zu sein scheint, als irgendein 14-jähriges Mädchen es verdient. Seine persönlichen Gefühle zu Ihrer Mutter, die er sich aufgrund der Schuldgefühle ob des Todes seines Freundes nie eingestehen konnte, machen ihm seinen Job auch nicht leichter, denn emotionale Distanz ist das letzte, was ihm während seiner Ermittlungen gelingt. Als sich dann noch erheblich mächtigere Parteien einmischen spitzt sich die Lage nach und nach dramatisch zu…



    Erneut ist es Jiro Taniguchi gelungen mich komplett abzuholen. Erst im Nachhinein wurde ich mir darüber gewahr, dass Die Stadt und das Mädchen die direkte Vorgängerarbeit Taniguchis war und das wird während des Lesens auch sehr deutlich. Das Bergsteigerthema, welches er später in Gipfel der Götter in geradezu perfekter Art und Weise ausrollt spielt auch hier schon eine große Rolle. Dennoch liegt der Fokus komplett auf den Figuren, den zwischenmenschlichen Verwicklungen, dem Umgang mit Schuld, Sühne und Ehrgefühl. Verpackt ist das Ganze in eine spannende Thriller-Story, die zwar das Rad nicht neu erfindet, aber dennoch einen idealen Rahmen für Taniguchis wahre Intention bietet. Die ist meiner Meinung nach nämlich die Darstellung der japanischen Gesellschaft, bei der einige Missstände klar angesprochen werden, aber auch jede Menge Hoffnung geweckt wird. Ein sowohl spannendes, als auch einfühlsames Werk, dass in seiner Eigenschaft als Einzelband zwar nicht die Möglichkeiten bietet alle angeschnittenen Themen in ihrer gesamten Breite zu bearbeiten wie noch bei Gipfel der Götter, aber doch viel zum Nachdenken anregt und ein äußerst angenehmes und unterhaltsames Lesevergnügen für zwei Abende liefert.

    Ich wurde keinesfalls enttäuscht und bleibe Meister Taniguchi weiter treu. Das Artwork ist erneut beeindruckend und sowohl die Berglandschaften als auch die City-Atmosphäre werden sehr gut eingefangen. Schreiber & Leser hat die Story wieder in einem hochwertigen, recht großen Paperback mit Klappenbroschur, ordentlichem Papier und hochwertigem Druck untergebracht. Also insgesamt eine rundum gelungene Veröffentlichung.

    Meine Wertung: 8/10



    So Mancher würde vielleicht eher bei einer 7/10 landen, aber als großer Fan des Bergsteigerthemas gibt es für diese Nebenstory bei mir nochmal einen Bonuspunkt, und davon abgesehen liegt Taniguchi scheinbar einfach auf meiner Wellenlänge. Als nächstes kommt in Sachen Manga bei mir mit Akira wieder ein Mehrteiler und gleichzeitig ein absoluter Klassiker mit in die Leseecke. Ich bin schon gespannt…

    VG, God_W.

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •