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Thema: Chaos

  1. #1
    Mitglied Avatar von Zardoz
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    Chaos

    Eins vorweg: den 1943 erschienenen Roman Ravange, der dem Comic zugrunde liegt, habe ich nicht gelesen. Die Geschichte ist ein Gedankenexperiment: wie entwickelt sich die menschliche Gesellschaft, wenn aufgrund eines globalen "EMP" sämtliche Maschinen, elektrische Geräte und Computer plötzlich und ohne Vorankündigung ausfallen, es dauerhaft keinen Strom mehr gibt.

    Aus heutiger Sicht ist das Thema schon von allen möglichen Seiten beleuchtet worden, so dass große Überraschungen eher nicht zu erwarten sind. Die Auseinandersetzungen scheinen um die Frage zu kreisen, ob man technischen Fortschritt wieder zulassen soll. Die Philosophie des Protagonisten, wie sie in Band 1 angedeutet wird, würde Mormonen wahrscheinlich Freude bereiten. Das ein oder andere "Klischee" dürfte ebenfalls dem Alter der Geschichte geschuldet sein. Dass ein (Musik-)Produzent versucht, seine erfolgreiche Newcomerin auf die Besetzungscouch zu bringen, ist spätestens seit Weinberg ein alter Hut und war schon zu den Glanzzeiten Hollywoods nicht mehr besonders originell. Es ist daher nicht einfach, einen älteren Science-Fiction so zeitgemäß aufzubereiten, das er für heutige Leser noch interessant ist. Eine vergleichbare Problematik findet sich bei den "Ausgestoßenen von Orion". Die positive Ausnahme sind dagegen die Klassiker von Wells, die aus meiner Sicht zu den schönsten von Splitter herausgegebenen Serien gehören.

    Gemessen daran kann Chaos (bisher) nicht ansatzweise mithalten. Man ahnt auch die Entwicklung, die die Geschichte nehmen wird. Überraschungen sind natürlich nicht ausgeschlossen. Vielleicht gibt es auch hier den Catamount-Effekt. Ich jedenfalls bleibe am Ball.

    Die Bilder sind größtenteils gelungen. Gerade der actionreiche Beginn kann sich sehen lassen. Leider tauchen aber vereinzelt Darstellungen von Personen auf, deren Körperbau nicht überzeugend wiedergegeben wird (z.B. die Schulterpartie der weiblichen Protagonistin im Panel oben links, S. 12 oder die oberen Panels S. 28). Dafür vermag die Zukunftsvision der Welt vor dem Crash/Chaos durchaus zu überzeugen.

  2. #2
    Mitglied Avatar von Zardoz
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    Bd. 2:

    Bedrückend realistisch. Möglicherweise ist der Protagonist oder auch die ein oder andere Szene ein wenig überzeichnet, vielleicht auch nur pointiert, jedenfalls muss man einräumen, dass sich Menschen in Extremsituationen genau so verhalten, wie es hier nach dem vollständigen Verlust der Elektrizität, aller strombasierten Geräte beschrieben wird. In der Fortsetzung geht es um den Beginn der "Endzeit". Es geht darum, Motive und Ursachen der späteren Entwicklung herauszuarbeiten und darzustellen. Angesichts dessen, dass das Thema in Literatur und Film mittlerweile schon vielfach abgearbeitet wurde, ist das aus heutiger Sicht nicht mehr wirklich originell, aber trotzdem in diesem mittleren von insgesamt drei Teilen gut, stringent und auch spannend erzählt. Für eine Comic tatsächlich viel "Tiefgang und Detailtreue" (Matthias Penkert-Hennig auf "dein AnitHeld.de"). Verhaltensweise und -muster der Hauptperson sind pschologisch plausibel, das interaktive Verhalten von Mitgliedern einer Gruppe nachvollziehbar beschrieben.

    Die Zeichnungen haben mir gut gefallen. Sehr viel Action, vorwiegend in dunklen, düsteren Farben gehalten, ganz im Gegensatz zur farbigen, bunten, schönen Welt im ersten Band. Die Darstellung fes Protagonisten bei der Tötung des Pferdes hat mich etwas an den Stil von Neo Rauch erinnert.

    Mittlerweile bin ich neugierig geworden auf den letzten Band.
    Geändert von Zardoz (19.05.2019 um 07:36 Uhr)

  3. #3
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    So wie @Zardoz habe auch ich den Roman "Ravage" von René Barjavel nicht gelesen. Das verwundert nicht, denn wenn ich zutreffend recherchiert habe, ist der nie auf deutsch erschienen. Auch die Deutsche Nationalbibliothek listet nur die französische Ausgabe. "Ravage" bedeutet verwüsten oder verwüstet. Der deutsche Titel "Chaos" geht nach meinem Verständnis über die reine Wortbedeutung von ravage hinaus (ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren).
    Es würde mich schon interessieren, wie die Zeit zu Beginn des Chaos (2052) im Roman dargestellt worden ist, denn die Vorstellung von der Zukunft 110 Jahre später war 1943 sicher eine andere, als sie Morvan und Macutay gut 70 Jahre später bei der Adaption (Band ein ist im Original 2016 erschienen) zugrunde gelegt haben.

    Trotz Neugierde vor seinem Erscheinen hat Zardoz zu Band 3 nichts mehr geschrieben. Ich habe jetzt alle drei Bände nach einander gelesen, musste also keine Neugierde zügeln. In Band 3 wird der Weg der Gruppe, die in Band 2 aus Paris aufgebrochen ist, fortgesetzt. Bis zur Ankunft wird die Gruppe dezimiert und es werden allerlei Brutalitäten gezeigt. Ich hatte erwartet, dass die "Jesusperson", die auf Seite 32 über Wasser und dann aus der Geschichte läuft und später noch eine Rolle spielen wird. Aber wie bemerkt Francois auf Seite 32 prophetisch: "Den hole ich nicht mehr ein." In Band 3 klärt sich auch, was sich Francois zu Beginn in Band 1 vor seinem Eingreifen in die finale Schlacht gut 100 Jahre nach dem Ausbruch des Chaos injiziert hat.
    Am Ende schließt sich der Kreis, der in Band 1 begonnen worden ist, indem Blanche Grabrede überraschenden Inhalts hält "Es ist schwierig, in Freiheit zu leben."

    In ihrer Gesamtheit trotz einiger Schwächen eine lesenswerte Serie.

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