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Ergebnis 1 bis 12 von 12
  1. #1
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Moby Dick - Bill Sienkiewicz adaptiert Melville

    Moby Dick (Bill Sienkiewicz)



    Eine weitere Adaption eines großen Klassikers der Weltliteratur, noch dazu eines meiner absoluten Lieblingsbücher. In beeindruckenden, wuchtigen und vor Kreativität strotzenden Bildern setzt Mister Sienkiewicz Herman Melvilles Meisterstück als kongenial visualisierte Graphic Novel um. Dennoch bin ich nicht restlos begeistert, was zum einen an der Kürze der Adaption liegt, aber auch der recht nüchternen, unterkühlt daherkommenden, und zuweilen etwas sprunghaft wirkenden Erzählstruktur geschuldet ist. Es wird fast durchgehend aus der dritten Person geschildert, wörtliche Rede kommt kaum vor, und durch die oft großflächigen Kunstwerke kann es durchaus vorkommen, dass auf einer Seite vier oder fünf Textfelder sind, aber nur eines davon wirklich Bezug zum Bild hat, im Rest wird „das Blut im Rinnstein“ erläutert, also Geschehnisse textlich dargestellt, die eben nur im Text, nicht in den Bildern stattfinden.


    Dennoch eine spannende Interpretation, eben weil sie so andersartig daherkommt, auch mal den Mut hat alt eingefahrene Passagen nicht zum sechzigsten mal zu wiederholen und durchzukauen, sondern den Mut hat diese einfach mal als gegebenes Grundwissen vorauszusetzen und dafür andere Aspekte hervorzuheben. Grandioses Meisterwerk? Nur optisch, aber dennoch eine absolute Bereicherung mit Daseinsberechtigung unter den vielen Adaptionen dieser epischen Rache-Tragödie.


    7,5-8/10

    VG, God_W.
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  2. #2
    Ex-Exphilosoph Avatar von Jovis
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    Da gebe ich dir in allen Punkten Recht. Man kann Moby Dick nicht in dieser Kürze umsetzen. Völlig unmöglich. Aber das wuchtige artwork von Sienkiewicz kann man auch nicht einfach im Laden stehen lassen. Ich hab's auch im Regal, aber ich liebe es nicht und wäre in der Bewertung glatt noch strenger als du. Ich kenne den Roman und daher blättere ich manchmal durch den Comic und denke, ich wäre Mister Spock und könnte so schnell lesen. Aber dann stelle ich es zurück und lese lieber nochmal Stray Toasters.

    Ich habe ja die Blade Runner Serie in US mit dem Originalromantext, aber comicmäßig bebildert. DAS wäre für Moby Dick eine deutlich angemessenere Umsetzung gewesen.

  3. #3
    Mitglied Avatar von Anasor
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    Zitat Zitat von God_W. Beitrag anzeigen

    auf einer Seite vier oder fünf Textfelder sind, aber nur eines davon wirklich Bezug zum Bild hat, im Rest wird „das Blut im Rinnstein“ erläutert, also Geschehnisse textlich dargestellt, die eben nur im Text, nicht in den Bildern stattfinden.
    Interessante Anmerkung!
    Viele finden ja Text eher störend, wenn er das beschreibt, was bereits durch die Bilder offensichtlich ist.
    Hier ist es mal genau die andere Sichtweise...

  4. #4
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    Man sollte dabei aber im Blick behalten, dass diese "Adaption" keine im landläufigen Sinne sein will, sondern sie stammt aus einem Revival-Projekt (von 1990/91) der berühmt-berüchtigten "Illustrierten Klassiker". Berühmt, weil sie auch in Deutschland in den 50er- bis 70er-Jahren kurz und kompakt eine bebilderte Einführung in Werke der Weltliteratur gaben. Berüchtigt, weil das eben formatbedingt meist nur knappe Abstracts dieser Stoffe waren.
    Mehr zu dem Band & Konzept im Übrigen auch hier: https://comicgate.de/rezensionen/moby-dick-3/

  5. #5
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Zitat Zitat von Anasor Beitrag anzeigen
    Interessante Anmerkung!
    Viele finden ja Text eher störend, wenn er das beschreibt, was bereits durch die Bilder offensichtlich ist.
    Hier ist es mal genau die andere Sichtweise...
    Das stimmt, quasi gegenteilig zu den frühen Alix-Alben und dergleichen.
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  6. #6
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    Zitat Zitat von Anasor Beitrag anzeigen
    Interessante Anmerkung!
    Viele finden ja Text eher störend, wenn er das beschreibt, was bereits durch die Bilder offensichtlich ist.
    Hier ist es mal genau die andere Sichtweise...
    Meine persönliche Sichtweise: Der Text soll bitte nicht beschreiben, was im Bild ersichtlich ist - aber eben auch nicht als Ersatz für ein Panel dienen. Handlung sollte immer IM BILD stattfinden und nicht im Text erzählt werden. (Natürlich gibt es immer Auslassungen, weil wir sonst einen Standbildfilm hätten. Aber wenn bei einem Auto die Bremsen versagen, es deshalb von der Straße abkommt und dann gegen einen Baum prallt, möchte ich das in mind. zwei, besser 3 Panels sehen und nicht nur darüber lesen!)

    Was hingegen im Text erzählt werden sollte, sind Dinge, die grafisch nicht dargestellt werden können, zB:
    - Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen der Protagonisten, ähnlich wie zB bei einem Voice-Over im Film oder bei einem guten Roman
    - Geräusche, Gerüche, Stimmung/Atmosphäre
    - Handlungselemente, die für die Story wichtig sind, aber im Panel untergehen/überlesen werden können

    Mit anderen Worten: Der Text soll die Story unterstützen und den Leser lenken, ohne ihn zu bevormunden und ohne redundant zus ein.
    Bitte beachtet meinen neuen Verkaufsthread.
    Trinken mit der Linken, Fechten mit der Rechten.

  7. #7
    Mitglied Avatar von CHOUETTE
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    Stimme überein, außer hierbei:
    Zitat Zitat von FilthyAssistant Beitrag anzeigen
    Was hingegen im Text erzählt werden sollte, sind Dinge, die grafisch nicht dargestellt werden können, zB:
    - Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen der Protagonisten
    Wenn mir ein Comic in Textkästen die Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen des/ der Protagonisten erklärt, lege ich ihn weg. Entweder kriegt das der Zeichner im Bild hin, oder man sollte es bleiben lassen. Der Leser ist ja in der Regel nicht ganz blöde.
    Geändert von CHOUETTE (28.10.2023 um 20:02 Uhr)
    Fasse dich kurz! Nimm Rücksicht auf Wartende!

  8. #8
    Ex-Exphilosoph Avatar von Jovis
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    Wobei ich auch fast sagen würde: wenn ein Comic mich packt, egal ob zeichnerisch oder textlich, dann packt er mich halt, egal ob der Text ein deskriptiver Begleittext ist oder ein ergänzendes Eigenleben hat.

  9. #9
    Mitglied Avatar von frank1960
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    Zitat Zitat von maxmurmel Beitrag anzeigen
    ... der berühmt-berüchtigten "Illustrierten Klassiker". Berühmt, weil sie auch in Deutschland in den 50er- bis 70er-Jahren kurz und kompakt eine bebilderte Einführung in Werke der Weltliteratur gaben. Berüchtigt, weil das eben formatbedingt meist nur knappe Abstracts dieser Stoffe waren.
    Berüchtigt? Man wurde ertüchtigt, das Buch zu lesen. Wurde dieser Rat, der am Ende des Heftle erfolgte, befolgt, erkannte der geneigte Leser: Nichts, was ich nicht aus IK kenne. So ging's auch mir bei 'Faust'.
    Ach wär Ich doch ein Junge noch wie einst
    Mit Bastei-Gruß,
    Euer Frank

    Ganz neu: Jetzt auch mit Lehning-Gruß!


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  10. #10
    Ex-Exphilosoph Avatar von Jovis
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    Aber es war doch bestimmt ein Streitthema unter Lehrern und Akadenikern, ob eine kurze Comicversion dem Werk gerecht wird. Das war bestimmt umstritten. Ich erinnere mich, dass zu meiner Schulzeit auch die Geister sich uneinig waren, ob "Es war einmal... der Mensch" empfehlenswert sei oder nicht. Mein Lateinlehrer war begeistert, mein Geschichtslehrer nicht. Das war bei den IKs bestimmt nicht anders. Die Erkenntnis, dass Lesen IMMER einen Lerneffekt hat, hatte sich bis in die 80er eher tröpfchenweise in die Köpfe gesetzt.

  11. #11
    Mitglied Avatar von frank1960
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    Kennst Du von Reader's Digest die Ausgaben von Romanen in verkürzten Fassungen? "Erik. Der wunderbare Funken Leben" sowie "The Tower" (eine der Vorlagen für 'Flammendes Inferno', gibt's glaub Ich ansonsten nicht auf Deutsch) hab Ich dadurch kennengelernt. Diese Fassungen waren durchaus umstritten.
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  12. #12
    Ex-Exphilosoph Avatar von Jovis
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    Habe ich immer von gehört. Eltern von Klassenkameraden waren immer die typischen Konsumenten davon. Kann ich mir vorstellen, dass das umstritten war. Ich selbst würde auch nie gekürzte Fassungen lesen. Womit wir bei meinem Statement zum Comic zurückkommen. Aber ich weiß noch, dass in irgendeinem US-Film mal eine Taschenbuch-Ausgabe von Sartres Das Sein und das Nichts vorkam. Da hätte ich zu gerne mal reingeguckt, aber das ist ja wahrscheinlich nur eine Attrappe gewesen. Das gibt's bestimmt nicht wirklich. Aber eine einbändige Herr der Ringe-Ausgabe zum Start der Filme hätte mich nicht gewundert. Zu der Zeit hatte ich gerade in einem Heim für Jugendliche gearbeitet und da waren 2 Jungs, die fanden Teil 1 so geil, dass die sich das Buch gekauft haben und es dann entsetzt weggelegt haben, weil da ja 100 Seiten Geburtstagsfeier Bilbo kommt.

    Das ist ein schwieriges Thema, aber unterm Strich kommt doch heraus, dass die IKs Sinn gemacht haben. Und dann muss ich mein Statement zum Moby Dick Kurzcomic doch nochmal überdenken.

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