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Von prominenten Westernkennern wurde High Noon nicht wirklich geliebt. André Bazin zählt ihn zwar zur Kategorie der „Superwestern“ und gibt ihm den Vorzug vor Shane, kritisiert aber die Macher, weil sie „den Western wie eine Form (behandeln), die einen Inhalt braucht“. Jean Mitry: „Drehbuch und Thema sind gut, aber das ist noch kein Meisterwerk. Ein großer Film für mich, ein Western, der mir sehr gefällt, das ist Rio Bravo.“. Robert Warshow: „Das schlagendste Beispiel für die Verwirrung, die ein allzu gewissenhafter ‚sozialer’ Realismus angerichtet hat, findet sich in dem berühmten Film High Noon.“ (Der amerikanische Mythos. Deutsch in: Film 58, Nr.3) Und Joe Hembus formuliert den ambivalenten Satz „High Noon ist ein guter Western, der eine hohe Meinung von seinen eigenen Qualitäten hat.“ (Western-Lexikon, S. 737).
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Die Strenge und Kargheit seiner Form – die scheinbare Einheit von Realzeit und Filmzeit (in Wahrheit sind rund 100 Minuten Realzeit auf 85 Minuten Filmzeit komprimiert), der dokumentarisch wirkende Bildstil und das psychologisierende Spiel der Darsteller – machten High Noon zu einem über das Genre hinausweisenden Werk. Theodor Kotulla rühmt die „veristische Schönheit“ des Films und nennt dann drei entscheidende Punkte, in denen der „normale Western“ ignoriert wird: „Erstens ist Kane nicht ‚von Natur aus’ einsam, er wird es erst durch einen sozialen Akt: die Gemeinde stößt ihn aus. Zweitens fehlt ihm die innere und äußere Gelassenheit; er hat Angst, macht sein Testament und ist einmal fast dem Weinen nah. Drittens hat er nicht die Chance eines fairen Kampfes; er wird gejagt. Damit ist der archaische Western transzendiert. Er ist seines reinen mythischen Grundes entkleidet und hat bewusst aufklärerische Tendenz angenommen. Freilich nur innerhalb der morali*schen Grenzen, die das eingehaltene Western-Schema setzt: Kane tötet seine Gegner, nicht sie ihn. Er ist psychologisch differenziert, aber immer noch ein Held.“ (Filmkritik, Mai 1959, Nr. 5)